EU-Arbeitskostenvergleich

Die gewerkschaftliche Anpassung und Sozialpartnerschaft lohnt sich fürs Kapital der Bourgeoisie und Großaktionäre:

Die Arbeitskosten in ihrer Germania AG entwickeln sich weiter unterdurchschnittlich.

Die Deutschland AG liegt bei den Arbeitskosten für die Privatwirtschaft mit 29 Euro pro Arbeitsstunde im Mittelfeld der EU-Staaten. Im Jahr 2009 sind die Arbeitskosten langsamer gestiegen als im Durchschnitt der Eurozone. Die Entwicklung der Lohnstückkosten hat sich auch 2010 im EU-Vergleich den unterdurchschnittlichen Trend angeglichen.

Die extrem starke Entwicklung der Exporte unterstreiche, dass “die internationale Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft weiterhin hervorragend ist”, schreiben die Wissenschaftler des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.

Allerdings sei das Problem mit der relativ schwachen Binnennachfrage in Deutschland ungelöst. “Der vergleichsweise geringe Anstieg von Arbeits- und Lohnstückkosten reflektiert die verhaltene Lohnentwicklung in den vergangenen Jahren”, sagt Gustav Horn, wissenschaftlicher Direktor des IMK.

“Jetzt sehen wir bei den Löhnen und beim Konsum zwar eine leichte Beschleunigung. Aber das Fundament für eine dauerhafte Steigerung der Binnennachfrage ist noch dünn. Wenn die Lohnentwicklung nicht gestärkt wird, lassen sich zudem die hochproblematischen Ungleichgewichte im Euroraum nicht abbauen.” (Prof. Dr. Gustaf A. Horn, Direktor des IMK.)

Zwischen 2000 und 2009 stiegen die deutschen Arbeitskosten “durchschnittlich” um 1,9 Prozent pro Jahr. Im “Durchschnitt” des Euroraums – im Vergleich mit zwölf Ländern – betrug die jährliche Zunahme lediglich 2,9 Prozent. In Dänemark, den Niederlanden, Großbritannien und Spanien stiegen die Arbeitskosten um 3,5 bis 4,5 Prozent. In den EU-Beitrittsländern Slowenien, der Tschechischen Republik und Ungarn stiegen die Arbeitskosten um 6,9 bis 8,9 Prozent. (Vgl. Quelle)

Die IMK-Forscher nutzten für ihre Studie die neuesten verfügbaren Zahlen der europäischen Statistikbehörde Eurostat. Deren Arbeitskostenstatistik erlaubt einen Vergleich auf breiter Basis als Datenquellen, heißt es im Bericht.

Im Jahr 2009 musste die deutsche Privatwirtschaft (Industrie und privater Dienstleistungsbereich) 29 Euro pro geleisteter Arbeitsstunde aufwenden (für Bruttolohn, Unternehmeranteile an den Sozialbeiträgen, Steuern für Arbeitskosten etc.). In Belgien, Dänemark, Frankreich, Luxemburg, Schweden und den Niederlanden wurden für Arbeitskosten zwischen 37,20 Euro und 29,80 Euro pro Stunde ausgegeben. Finnland (28,70 Euro) und Österreich (27,60 Euro) befinden sich auf dem
vergleichbaren Niveau bei den Arbeitskosten wie in der Deutschland AG.

Italien wies für 2009 Arbeitskosten von 26,50 Euro auf. In den südeuropäischen EU-Staaten liegen die Arbeitskosten zwischen 12 und 19,90 Euro. In den mittel- und osteuropäischen EU-Ländern liegen sie zwischen 7,30 Euro in Ungarn, 7,50 Euro in Polen und 13,80 Euro in Slowenien.

Im Jahr 2009 betrugen die Arbeitskosten im Verarbeitenden Gewerbe in Deutschland 33,10 Euro pro geleisteter Arbeitsstunde. In den entwickelten EU-Industrieländern liegen die Arbeitskosten zwischen knapp 31 und 39 Euro pro Stunde. In Belgien liegen im Vergleichszeitraum die industriellen Arbeitskosten bei 38,60 Euro, Dänemark bei 35,40 Euro, Frankreich bei 33 Euro, Schweden bei 32,80 Euro. Zur Gruppe gehören auch Finnland, die Niederlande und Österreich. (Vgl.)
Der Anstieg der industriellen Arbeitskosten lag 2009 gegenüber 2008 in der Deutschland AG mit 2,3 Prozent unter dem Durchschnitt der Eurozone des Kapitals (3,3 Prozent).

Im privaten Dienstleistungssektor lagen die bundesdeutschen Arbeitskosten mit 26,50 Euro an achter Stelle nach den Benelux-Ländern, den skandinavischen Staaten und Frankreich, heißt es im Bericht. Dänemark wies hier mit rund 37 Euro den höchsten Wert aus. Der Durchschnitt im entwickelten Euroraum beträgt 27,20 Euro. Die Differenz bzw. Spreizung zwischen den Arbeitskosten in der Industrie und im Dienstleistungssektor ist in Deutschland größer als in jedem anderen EU-Land. Die Spreizung beträgt rund 20 Prozent in der Deutschland AG.

Von den niedrigen Arbeitskosten in den bundesdeutschen Dienstleistungsbranchen profitiert auch die Industrie. “So werden in Deutschland Industriegüter im Durchschnitt zu merklich geringeren Arbeitskosten hergestellt als es allein die Arbeitskosten im industriellen Sektor erwarten ließen”, so die Feststellung des IMK. Durch die Vorleistungs-Verflechtung lag die Kosteneinsparung für die (deutsche) Industrie im Jahr 2006 bei rund 13 Prozent pro Beschäftigtem.
Wenn man den höheren Teilzeitanteil bei den Beschäftigten im Dienstleistungssektor in den Berechnungen bereinigt, bleibt für das Verarbeitende Gewerbe eine Kostenentlastung um acht Prozent. Das entspricht rund 2,50 Euro Kostenentlastung pro Stunde und Beschäftigten – für die privaten Betriebe. (Vgl.)

Die Lohnstückkosten – Arbeitskosten in Relation zur Produktivitätsentwicklung – sind in der Deutschland AG über die vergangene Dekade deutlich langsamer gestiegen als in der Eurozone insgesamt. In der bundesdeutschen Gesamtwirtschaft liegen sie Ende 2010 rund sechs Prozent höher als im Basisjahr 2000 und in der Industrie nur mit einem Prozent über dem Basisstand 2000. Zum Vergleich: Im Durchschnitt der Eurozone stiegen die Lohnstückkosten zwischen 2000 und 2010 um knapp zehn Prozent in der Industrie und etwas über 20 Prozent in der EU-Gesamtwirtschaft. (Vgl.)

Fazit: Das IMK hält “politische Reformen” für dringend geboten, die ein weiteres Wachstum des Niedriglohnsektors verhindern. Die Ausbreitung so genannter atypischer und schlecht bezahlter Arbeitsverhältnisse habe die Lohnentwicklung geschwächt. Die Wissenschaftler empfehlen flächendeckende, gesetzliche Mindestlöhne, ein Ende der Subventionierung von Mini- und Midiarbeit sowie eine Regulierung der Leiharbeit, die ausschließt, dass die Leiharbeit zum Lohndumping missbraucht werden kann. [1] [Anm.: Lohnsklavenhandel: Zeitarbeit und Leiharbeit abschaffen – auch schon im deutschen EU-Kapitalismus!]
(Ein modifizierter Auszug. R.S.)

Quelle vgl.: [1] HBS, 01.03.2011. Neuer europäischer Arbeitskostenvergleich des IMK. Deutsche Arbeitskosten entwickeln sich weiter unterdurchschnittlich – Platz im europäischen Mittelfeld.  
http://www.boeckler.de/320_113407.html
Siehe auch: Deutsche Arbeitskosten und Lohnstückkosten im europäischen Vergleich – Auswirkungen der Krise (pdf). Von Torsten Niechoj, Ulrike Stein, Sabine Stephan und Rudolf Zwiener. IMK Report 60, März 2011.
http://www.boeckler.de/pdf/p_imk_report_60_2011.pdf

02.03.2011, Reinhold Schramm

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