Die Grenzen ihrer Demokratie

Bei einer Parlamentsdebatte über den Piratenakt der israelischen Armee gegen die humanitäre »Freiheits-Flottille«, die Hilfsgüter nach Gaza bringen sollte, ist es am Mittwochabend in der israelischen Knesset zu Tumulten gekommen. Rechte Abgeordnete verhinderten eine Rede der arabischstämmigen Abgeordneten Hanin Soabi vom Nationalen Demokratischen Bündnis (Balad), die selbst an Bord eines der Schiffe der Solidaritätsflotte gewesen war. Die Abgeordnete Anastasia Michaeli von der ultrarechten Israel Beitenu (Unser Haus Israel), der auch Israels Außenminister Avigdor Lieberman angehört, demonstrierte ihr Demokratieverständnis, als sie Soabi mit den Worten unterbrach, Israel sei »ein demokratischer Staat« und könne niemanden in der Knesset reden lassen, der Positionen von Terrororganisationen vertrete: »Ihr Platz ist nicht in der Knesset, sondern im Gefängnis«. Miri Regev von der Regierungspartei Likud forderte ihre Parlamentskollegin auf: »Geh nach Gaza, du Verräterin!« Auch der Abgeordnete der Kadima-Partei, Yohanán Plesner, rief Soabi zu, sie sei »die Letzte«, die ihnen moralische Lektionen erteilen könne.

Es ist nicht das erste Mal, dass die israelischen Rechtsparteien und Behörden gegen die arabischen und linken Parteien Israels vorgehen. Am 12. Januar 2009 entschied die israelische Wahlbehörde, Balad und eine weitere arabische Partei von der Parlamentswahl einen Monat später auszuschließen, weil diese Organisationen »zu Gewalt aufwiegeln, den Terrorismus unterstützen und den Staat Israel nicht anerkennen«. Erst der Oberste Gerichtshof hob den Ausschluss der beiden Parteien auf, so dass die Balad-Partei bei den Knesset-Wahlen 2009 antreten durfte und drei Abgeordnetenmandate gewann. Die 1996 gegründete Partei fordert, dass sich Israel nicht als »jüdischer Staat«, sondern als »Staat aller Staatsbürger« definiert.

Bereits am Dienstag, als sie wegen ihrer Immunität als Abgeordnete vom israelischen Militär freigelassen wurde, hatte Soabi öffentlich den Behauptungen der Regierung widersprochen: »Die Anzahl der Trup­pen, die das Schiff betra­ten, zeigte deut­lich dass man nicht nur die Fahrt been­den wollte, son­dern die größt­mög­li­che Anzahl an Todes­op­fern beab­sich­tigte, um zukünf­tig sol­che Initia­ti­ven zu verhindern. Unser Ziel war, die Bela­ge­rung zu stop­pen. Wir hat­ten keine Pläne für eine Kon­fron­ta­tion. Israel beging eine Pro­vo­ka­tion mit die­ser Mili­tär­ak­tion. Israel ist es gewohnt, mit den Paläs­ti­nen­sern umzu­ge­hen wie es ihm beliebt. Das Haupt­pro­blem ist nicht das Schiff, son­dern die Belagerung.«

Trotz des Massaker bleibt die unter irischer Flagge fahrende »MV Rachel Corrie« auf ihrem Kurs nach Gaza. »Wir sind entschlossener denn je, unsere Mission fortzusetzen«, sagte ein Besatzungsmitglied der Schiffes am Mittwoch dem irischen Rundfunk RTE. Er rechne damit, dass das Schiff am Freitagabend oder Samstagmorgen die Stelle erreichen werde, an der am Montag das israelische Militär den internationalen Konvoi angegriffen und gekapert hatte. Das Frachtschiff war wegen technischer Probleme hinter den Konvoi zurückgefallen und so der israelischen Piratenaktion entgangen. An Bord sind unter anderem die irische Friedensnobelpreisträgerin Mairead Corrigan-Maguire sowie der frühere UN-Koordinator für humanitäre Irak-Hilfe, Denis Halliday. Irlands Aussenminister Michael Martin forderte die israelische Regierung auf, das Schiff nicht an der Weiterfahr zu hindern.

Quelle: http://www.redglobe.de/naher-a-mittlerer-osten/israel/3804-die-grenzen-ihrer-demokratie

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