Ökonomische Probleme des Sozialismus in der UdSSR

Lenin-Stalin

An die Teilnehmer der ökonomischen Diskussion

Lenin-StalinBEMERKUNGEN ZU ÖKONOMISCHEN FRAGEN, DIE MIT DER NOVEMBERDISKUSSION 1951 ZUSAMMENHÄNGEN

Ich habe alle Unterlagen über die ökonomische Diskussion erhalten, die im Zusammenhang mit der Beurteilung des Entwurfs des Lehrbuchs der politischen Ökonomie durchgeführt wurde. Unter anderem erhielt ich „Vorschläge zur Verbesserung des Entwurfs des Lehrbuchs der politischen Ökonomie“, „Vorschläge zur Beseitigung von Fehlern und Ungenauigkeiten“ im Entwurf und eine „Zusammenstellung strittiger Fragen“.
Auf Grund all dieser Materialien sowie des Lehrbuchentwurfs halte ich es für notwendig, folgende Bemerkungen zu machen.

1. Die Frage des Charakters der ökonomischen Gesetze im Sozialismus

Manche Genossen verneinen den objektiven Charakter der Gesetze der Wissenschaft, insbesondere der Gesetze der politischen Ökonomie im Sozialismus. Sie verneinen, dass die Gesetze der politischen Ökonomie die Gesetzmäßigkeiten von Prozessen widerspiegeln, die sich unabhängig vom Willen der Menschen vollziehen. Sie sind der Meinung, in Anbetracht der besonderen Rolle, die die Geschichte dem Sowjetstaat zugewiesen hat, könnten der Sowjetstaat, seine Führer die bestehenden Gesetze der politischen Ökonomie aufheben, könnten sie neue Gesetze „aufstellen“, neue Gesetze „schaffen“.

Diese Genossen irren sich gründlich. Sie verwechseln, wie man sieht, die Gesetze der Wissenschaft, die objektive, unabhängig vom Willen der Menschen in der Natur oder in der Gesellschaft vor sich gehende Prozesse widerspiegeln, mit den Gesetzen, die von Regierungen erlassen, nach dem Willen der Menschen geschaffen werden und nur juridische Kraft haben. Man darf sie aber auf keinen Fall verwechseln.
Der Marxismus fasst die Gesetze der Wissenschaft – ganz gleich, ob es sich um Gesetze der Naturwissenschaft oder um Gesetze der politischen Ökonomie handelt – als die Widerspiegelung objektiver, unabhängig vom Willen der Menschen vor sich gehender Prozesse auf. Die Menschen können diese Gesetze entdecken, sie erkennen, sie erforschen, sie in ihrem Handeln berücksichtigen, sie im Interesse der Gesellschaft ausnutzen, aber sie können diese Gesetze nicht verändern oder aufheben. Umso weniger können sie neue Gesetze der Wissenschaft aufstellen oder schaffen.
Bedeutet das, dass zum Beispiel die Auswirkungen der Naturgesetze, die Auswirkungen der Naturkräfte überhaupt unabwendbar sind, dass die zerstörenden Wirkungen der Naturkräfte immer und überall mit elementar-unerbittlicher Kraft auftreten, auf die die Menschen nicht einwirken können? Nein, das bedeutet es nicht. Sieht man von den astronomischen, geologischen und von einigen anderen analogen Prozessen ab, auf die einzuwirken tatsächlich nicht in der Macht der Menschen steht, selbst wenn sie ihre Entwicklungsgesetze erkannt haben, so steht es in vielen anderen Fällen durchaus in ihrer Macht, haben sie durchaus die Möglichkeit, auf die Prozesse der Natur einzuwirken. In allen diesen Fällen sind die Menschen, wenn sie die Gesetze der Natur erkannt haben, sie berücksichtigen und sich auf sie stützen, sie sachkundig anwenden und ausnutzen, imstande, ihren Wirkungsbereich einzuschränken, den zerstörenden Naturkräften eine andere Richtung zu geben, die zerstörenden Naturkräfte in den Dienst der Gesellschaft zu stellen.
Nehmen wir eins der zahlreichen Beispiele. Im grauen Altertum galten das Hochwasser der großen Ströme, die Überschwemmungen und die damit verbundene Zerstörung von Wohnstätten und Saaten als unabwendbare Naturkatastrophen, gegen die die Menschen machtlos waren. Im Laufe der Zeit jedoch, mit der Entwicklung des menschlichen Wissens, als die Menschen gelernt hatten, Staudämme und Wasserkraftwerke zu bauen, erwies es sich als möglich, die Gesellschaft vor den Überschwemmungskatastrophen zu bewahren, die früher unabwendbar schienen. Mehr noch, die Menschen lernten, die zerstörenden Kräfte der Natur zu bändigen, sie sozusagen an die Kandare zu nehmen, die Kraft des Wassers in den Dienst der Gesellschaft zu stellen und sie zur Bewässerung der Felder, zur Gewinnung von Energie auszunutzen.
Bedeutet das, dass die Menschen damit die Gesetze der Natur, die Gesetze der Wissenschaft aufgehoben, dass sie neue Gesetze der Natur, neue Gesetze der Wissenschaft geschaffen haben? Nein, das bedeutet es nicht. Es ist so, dass diese ganze Prozedur zur Abwendung der Wirkungen der zerstörenden Kräfte des Wassers und zu ihrer Ausnutzung im Interesse der Gesellschaft ohne irgendeine Verletzung, Veränderung oder Annullierung der Gesetze der Wissenschaft, ohne die Schaffung neuer Gesetze der Wissenschaft vonstatten geht. Im Gegenteil, diese ganze Prozedur wird auf der exakten Grundlage der Gesetze der Natur, der Gesetze der Wissenschaft vollzogen, denn jeder Verstoß gegen die Naturgesetze, auch der kleinste, würde nur dazu führen, dass das Ganze gestört, dass die Prozedur vereitelt wird.
Das gleiche ist von den Gesetzen der ökonomischen Entwicklung, von den Gesetzen der politischen Ökonomie zu sagen – ganz gleich, ob es sich um die Periode des Kapitalismus oder um die Periode des Sozialismus handelt. Die Gesetze der ökonomischen Entwicklung sind hier ebenso wie in der Naturwissenschaft objektive Gesetze, die die unabhängig vom Willen der Menschen sich vollziehenden Prozesse der ökonomischen Entwicklung widerspiegeln. Die Menschen können diese Gesetze entdecken, sie erkennen und, auf sie gestützt, sie im Interesse der Gesellschaft ausnutzen, den zerstörenden Wirkungen mancher Gesetze eine andere Richtung geben, ihren Wirkungsbereich einschränken, anderen Gesetzen, die zum Durchbruch drängen, freie Bahn verschaffen, aber sie können sie nicht umstoßen oder neue ökonomische Gesetze schaffen.
Eine der Besonderheiten der politischen Ökonomie besteht darin, dass ihre Gesetze, zum Unterschied von den Gesetzen der Naturwissenschaft, nicht von langer Dauer sind, dass sie, wenigstens die meisten von ihnen, im Verlauf einer bestimmten historischen Periode wirksam sind, worauf sie neuen Gesetzen Platz machen. Aber diese Gesetze werden nicht umgestoßen, sondern verlieren ihre Kraft infolge neuer ökonomischer Bedingungen und treten vom Schauplatz ab, um neuen Gesetzen Platz zu machen, die nicht durch den Willen der Menschen geschaffen werden, sondern auf der Grundlage neuer ökonomischer Bedingungen entstehen. Man beruft sich auf den „Anti-Dühring“ von Engels, auf seine Formel, dass die Menschen mit der Abschaffung des Kapitalismus und der Vergesellschaftung der Produktionsmittel die Herrschaft über ihre Produktionsmittel erlangen, dass sie, vom Joch der gesellschaftlich- ökonomischen Verhältnisse befreit, zu „Herren“ ihres gesellschaftlichen Lebens werden. Engels nennt diese Freiheit „Einsicht in die Notwendigkeit“. Aber was kann „Einsicht in die Notwendigkeit“ bedeuten? Das bedeutet, dass die Menschen, nachdem sie die objektiven Gesetze (die „Notwendigkeit“) erkannt haben, sie ganz bewusst im Interesse der Gesellschaft anwenden werden. Gerade deshalb sagt Engels an der gleichen Stelle:

„Die Gesetze ihres eignen gesellschaftlichen Tuns, die ihnen bisher als fremde, sie beherrschende Naturgesetze gegenüberstanden, werden dann von den Menschen mit voller Sachkenntnis angewandt und damit beherrscht.“ (Friedrich Engels, „Herrn Eugen Dührings Umwälzung der Wissenschaft (‚Anti-Dühring’)“, Dietz Verlag, Berlin 1954, S. 351. Der Übers.)

Wie man sieht, spricht die Formel von Engels keineswegs zugunsten jener, die meinen, man könne im Sozialismus die bestehenden ökonomischen Gesetze umstoßen und neue schaffen.

Im Gegenteil, sie fordert nicht die Annullierung, sondern die Erkenntnis der ökonomischen Gesetze und ihre sachkundige Anwendung. Man sagt, die ökonomischen Gesetze hätten den Charakter blind wirkender Naturkräfte, die Wirkungen dieser Gesetze seien unabwendbar, die Gesellschaft sei ihnen gegenüber machtlos. Das stimmt nicht. Das heißt aus den Gesetzen einen Fetisch machen, sich zum Sklaven der Gesetze machen. Es ist bewiesen, dass die Gesellschaft den Gesetzen gegenüber nicht machtlos ist, dass die Gesellschaft, wenn sie die ökonomischen Gesetze erkannt hat und sich auf sie stützt, imstande ist, ihren Wirkungsbereich einzuschränken, sie im Interesse der Gesellschaft auszunutzen und sie „an die Kandare zu nehmen“, wie das in Bezug auf die Naturkräfte und ihre Gesetze der Fall ist, wie das im oben angeführten Beispiel von den Überschwemmungen der großen Ströme der Fall ist.
Man beruft sich auf die besondere Rolle der Sowjetmacht beim Aufbau des Sozialismus, die es ihr angeblich ermöglicht, die bestehenden Gesetze der ökonomischen Entwicklung umzustoßen und neue „aufzustellen“. Das stimmt ebenfalls nicht. Die besondere Rolle der Sowjetmacht erklärt sich durch zwei Umstände: erstens dadurch, dass die Sowjetmacht nicht, wie das in früheren Revolutionen der Fall war, eine Form der Ausbeutung durch eine andere zu ersetzen, sondern jegliche Ausbeutung abzuschaffen hatte; zweitens dadurch, dass sie, da es im Lande keinerlei fertige Keime der sozialistischen Wirtschaft gab, die neuen, die sozialistischen Wirtschaftsformen sozusagen „aus dem Nichts heraus“ schaffen musste.
Das ist zweifellos eine schwierige und komplizierte Aufgabe, für die es keine Präzedenzfälle gibt. Nichtsdestoweniger hat die Sowjetmacht diese Aufgabe in Ehren erfüllt. Aber sie hat sie erfüllt, nicht etwa deshalb, weil sie die bestehenden ökonomischen Gesetze umgestoßen und neue „aufgestellt“ hätte, sondern allein deshalb, weil sie sich auf das ökonomische Gesetz der unbedingten Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit dem Charakter der Produktivkräfte stützte. Die Produktivkräfte unseres Landes, besonders in der Industrie, hatten gesellschaftlichen Charakter, die Eigentumsform hingegen war privat, kapitalistisch. Gestützt auf das ökonomische Gesetz der unbedingten Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit dem Charakter der Produktivkräfte, vergesellschaftete die Sowjetmacht die Produktionsmittel, machte sie zum Eigentum des gesamten Volkes, beseitigte damit das Ausbeutungssystem und schuf die sozialistischen Wirtschaftsformen. Gäbe es dieses Gesetz nicht und hätte sich die Sowjetmacht nicht darauf gestützt, dann wäre sie nicht imstande gewesen, ihre Aufgabe zu erfüllen.
Das ökonomische Gesetz der unbedingten Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit dem Charakter der Produktivkräfte drängt in den kapitalistischen Ländern seit langem zum Durchbruch. Wenn es noch nicht zum Durchbruch gekommen ist und noch keine freie Bahn hat, so deshalb, weil es auf den stärksten Widerstand der überlebten Kräfte der Gesellschaft stößt. Hier haben wir es mit einer anderen Besonderheit der ökonomischen Gesetze zu tun. Zum Unterschied von den Gesetzen der Naturwissenschaft, in der die Entdeckung und Anwendung eines neuen Gesetzes mehr oder weniger reibungslos vor sich geht, stößt auf ökonomischem Gebiet die Entdeckung und Anwendung eines neuen Gesetzes, das die Interessen der überlebten Kräfte der Gesellschaft beeinträchtigt, auf den stärksten Widerstand dieser Kräfte. Folglich ist eine Kraft, eine gesellschaftliche Kraft notwendig, die fähig ist, diesen Widerstand zu überwinden. Eine solche Kraft fand sich in unserem Lande im Bündnis der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft, die die überwältigende Mehrheit der Gesellschaft darstellen. Eine solche Kraft hat sich noch nicht in anderen, kapitalistischen Ländern gefunden. Darin liegt das Geheimnis dessen, dass es der Sowjetmacht gelang, die alten Kräfte der Gesellschaft zu zerschlagen, und dass das ökonomische Gesetz der unbedingten Übereinstimmung der Produktionsverhältnisse mit dem Charakter der Produktivkräfte bei uns völlig freie Bahn erhielt.

Man sagt, die Notwendigkeit der planmäßigen (proportionalen) Entwicklung der Volkswirtschaft unseres Landes ermögliche es der Sowjetmacht, die bestehenden ökonomischen Gesetze umzustoßen und neue zu schaffen. Das ist völlig falsch. Man darf unsere Jahres- und Fünfjahrpläne nicht mit dem objektiven ökonomischen Gesetz der planmäßigen, proportionalen Entwicklung der Volkswirtschaft verwechseln. Das Gesetz der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft entstand als Gegengewicht zum Gesetz der Konkurrenz und der Anarchie der Produktion im Kapitalismus. Es entstand auf der Grundlage der Vergesellschaftung der Produktionsmittel, nachdem das Gesetz der Konkurrenz und der Anarchie der Produktion seine Kraft verloren hatte. Es wurde wirksam, weil die sozialistische Volkswirtschaft nur auf der Grundlage des ökonomischen Gesetzes der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft geführt werden kann. Das bedeutet, dass das Gesetz der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft unseren Planungsorganen die Möglichkeit gibt, die gesellschaftliche Produktion richtig zu planen. Aber die Möglichkeit darf man nicht mit der Wirklichkeit verwechseln. Das sind zwei verschiedene Dinge. Damit diese Möglichkeit Wirklichkeit wird, muss man dieses ökonomische Gesetz erforschen, muss man es beherrschen, muss man lernen, es mit voller Sachkenntnis anzuwenden, muss man solche Pläne aufstellen, die die Erfordernisse dieses Gesetzes voll und ganz widerspiegeln. Man kann nicht sagen, dass unsere Jahres- und Fünfjahrpläne die Erfordernisse dieses ökonomischen Gesetzes voll und ganz widerspiegeln.
Man sagt, einige bei uns im Sozialismus wirksame ökonomische Gesetze, darunter auch das Wertgesetz, seien auf der Grundlage der Planwirtschaft „umgewandelte“ oder sogar „grundlegend umgewandelte“ Gesetze. Das stimmt ebenfalls nicht. Man kann Gesetze nicht „umwandeln“, geschweige denn „grundlegend umwandeln“. Wenn man Gesetze umwandeln kann, so kann man sie auch umstoßen und durch andere ersetzen. Die These von der „Umwandlung“ der Gesetze ist ein Überbleibsel der falschen Formel von der „Annullierung“ und „Aufstellung“ von Gesetzen. Obgleich die Formel von der Umwandlung der ökonomischen Gesetze bei uns schon seit langem in Gebrauch ist, wird man sich im Interesse der Genauigkeit von ihr lossagen müssen. Man kann den Wirkungsbereich dieser oder jener ökonomischen Gesetze einschränken, man kann ihre zerstörenden Wirkungen – natürlich, falls solche vorhanden sind – abwenden, aber man kann sie nicht »umwandeln“ oder „umstoßen“.
Wenn man folglich von der ,,Unterwerfung“ der Naturkräfte oder der ökonomischen Kräfte spricht, von der „Herrschaft“ über sie und so weiter, so will man damit durchaus nicht sagen, dass die Menschen die Gesetze der Wissenschaft „umstoßen“ oder sie „aufstellen“ können. Im Gegenteil, damit will man nur sagen, dass die Menschen in der Lage sind, die Gesetze zu entdecken, sie zu erkennen, sie zu beherrschen und zu lernen, sie mit voller Sachkenntnis anzuwenden, sie im Interesse der Gesellschaft auszunutzen und sie sich somit dienstbar zu machen, die Herrschaft über sie zu er-langen.
Die Gesetze der politischen Ökonomie im Sozialismus sind somit objektive Gesetze, die die Gesetzmäßigkeit der sich unabhängig von unserem Willen vollziehenden Prozesse des ökonomischen Lebens widerspiegeln. Wer diesen Leitsatz verneint, verneint im Grunde genommen die Wissenschaft, wer aber die Wissenschaft verneint, verneint damit auch die Möglichkeit jeglicher Voraussicht – verneint folglich die Möglichkeit, das wirtschaftliche Leben zu leiten.
Man könnte sagen, dass alles, was hier angeführt wurde, richtig und allgemein bekannt sei, aber nichts Neues enthalte, und dass es sich folglich nicht lohne, auf die Wiederholung allgemein bekannter Wahrheiten Zeit zu verwenden. Gewiss, es gibt hierbei tatsächlich nichts Neues, aber es wäre falsch, wollte man annehmen, es lohne sich nicht, auf die Wiederholung einiger uns bekannter Wahrheiten Zeit zu verwenden. Es ist so, dass zu uns, dem führenden Kern, jedes Jahr Tausende neuer junger Kader kommen, die von dem brennenden Wunsch beseelt sind, uns zu helfen, die von dem brennenden Wunsch beseelt sind, sich zu bewähren, die aber noch keine ausreichende marxistische Bildung haben, viele uns wohlbekannte Wahrheiten nicht kennen und gezwungen sind, im dunkeln zu tappen. Sie sind von den gewaltigen Errungenschaften der Sowjetmacht überwältigt, sind vor den außerordentlichen Erfolgen der Sowjetordnung von Schwindel befallen und beginnen sich einzubilden, dass die Sowjetmacht „alles vermag“, dass ihr „alles ein leichtes ist“, dass sie die Gesetze der Wissenschaft umstoßen und neue Gesetze aufstellen kann. Wie sollen wir uns zu diesen Genossen verhalten? Wie soll man sie im Geiste des Marxismus-Leninismus erziehen? Ich denke, dass die systematische Wiederholung so genannter „allgemein bekannter“ Wahrheiten und ihre geduldige Erläuterung eins der besten Mittel zur marxistischen Erziehung dieser Genossen ist.

2. Die Frage der Warenproduktion im Sozialismus

Manche Genossen behaupten, die Partei habe falsch gehandelt, als sie nach Ergreifung der Macht und Nationalisierung der Produktionsmittel in unserem Lande die Warenproduktion beibehalten hat. Sie sind der Meinung, die Partei hätte damals gleich die Warenproduktion beseitigen müssen. Sie berufen sich dabei auf Engels, der sagt:
„Mit der Besitzergreifung der Produktionsmittel durch die Gesellschaft ist die Warenproduktion beseitigt und damit die Herrschaft des Produkts über die Produzenten.“ (Siehe „Anti-Dühring“.)
Diese Genossen irren sich gründlich. Untersuchen wir die Formel von Engels. Die Formel von Engels kann man nicht als völlig klar und genau bezeichnen, da sie keinen Hinweis darauf enthält, ob hier von der Besitzergreifung sämtlicher Produktionsmittel durch die Gesellschaft oder nur eines Teils der Produktionsmittel die Rede ist, das heißt, ob sämtliche Produktionsmittel oder nur ein Teil der Produktions-mittel in allgemeines Volkseigentum übergeführt sind. Das heißt, diese Formel von Engels kann man so und so auffassen. An einer anderen Stelle des „Anti-Dühring“ spricht Engels von der Besitzergreifung „der sämtlichen Produktionsmittel“, von der Besitzergreifung „der Gesamtheit der Produktionsmittel“. Folglich hat Engels in seiner Formel die Nationalisierung nicht eines Teils der Produktionsmittel, sondern aller Produktionsmittel im Auge, das heißt die Oberführung der Produktionsmittel nicht nur in der Industrie, sondern auch in der Landwirtschaft in allgemeines Volkseigentum. Daraus folgt, dass Engels solche Länder im Auge hat, in denen nicht nur in der Industrie, sondern auch in der Landwirtschaft der Kapitalismus genügend entwickelt und die Konzentration der Produktion genügend fortgeschritten ist, um sämtliche Produktionsmittel des Landes expropriieren und in den Gemeinbesitz des ganzen Volkes überführen zu können. Engels ist folglich der Ansicht, dass in solchen Ländern zugleich mit der Vergesellschaftung sämtlicher Produktionsmittel die Warenproduktion zu beseitigen sei. Und das ist natürlich richtig. Ein solches Land war Ende des vorigen Jahrhunderts, bei Erscheinen des „Anti-Dühring“, nur ein Land – England, wo die Entwicklung des Kapitalismus und die Konzentration der Produktion sowohl in der Industrie als auch in der Landwirtschaft einen solchen Grad erreicht hatten, dass es im Falle der Machtergreifung durch das Proletariat möglich war, sämtliche Produktionsmittel im Lande in allgemeines Volkseigentum überzuführen und die Warenproduktion aufzuheben. Ich sehe hier von der Frage ab, welche Bedeutung für England der Außenhandel mit seinem riesigen Anteil an der englischen Volkswirtschaft hat. Ich denke, dass man nur nach dem Studium dieser Frage die Frage des Schicksals der Warenproduktion in England nach Ergreifung der Macht durch das Proletariat und nach Nationalisierung sämtlicher Produktionsmittel endgültig entscheiden könnte. Im Übrigen hatte nicht nur Ende des vorigen Jahrhunderts, sondern hat auch in der Gegenwart noch kein Land jene Stufe der Entwicklung des Kapitalismus und der Konzentration der Produktion in der Landwirtschaft erreicht, die wir in England beobachten. Was die anderen Länder betrifft, so gibt es dort, ungeachtet der Entwicklung des Kapitalismus im Dorfe, eine noch recht zahlreiche Klasse kleiner und mittlerer Eigentümer-Produzenten im Dorfe, über deren Schicksal im Falle der Machtergreifung durch das Proletariat zu entscheiden wäre.
Aber nun ergibt sich die Frage: Wie sollen sich das Proletariat und seine Partei verhalten, wenn in diesem oder jenem Lande, darunter auch in unserem Lande, günstige Bedingungen für die Machtergreifung durch das Proletariat und den Sturz des Kapitalismus vorhanden sind, wenn der Kapitalismus die Produktionsmittel in der Industrie dermaßen konzentriert hat, dass sie expropriiert und in den Besitz der Gesellschaft übergeführt werden können, wenn aber die Landwirtschaft, trotz des Wachstums des Kapitalismus, noch dermaßen in zahlreiche kleine und mittlere Eigentümer-Produzenten zersplittert ist, dass es nicht möglich ist, die Frage der Expropriation dieser Produzenten zu stellen?
Auf diese Frage gibt die Formel von Engels keine Antwort. Sie braucht diese Frage übrigens auch gar nicht zu beantworten, da sie auf Grund einer anderen Frage entstanden ist, nämlich der Frage, welches das Schicksal der Warenproduktion nach Vergesellschaftung sämtlicher Produktionsmittel sein muss.
Was soll also geschehen, wenn nicht sämtliche Produktionsmittel, sondern nur ein Teil der Produktionsmittel vergesellschaftet worden sind, wenn aber günstige Bedingungen für die Machtergreifung durch das Proletariat vorhanden sind – soll das Proletariat die Macht ergreifen, und muss die Warenproduktion gleich darauf beseitigt werden?
Man kann natürlich die Auffassung einiger Pseudomarxisten nicht als Antwort bezeichnen, die meinen, unter solchen Umständen müsste man auf die Machtergreifung verzichten und abwarten, bis der Kapitalismus es fertig gebracht hat, die Millionen kleiner und mittlerer Produzenten zu ruinieren, sie in Landarbeiter zu verwandeln und die Produktionsmittel in der Landwirtschaft zu konzentrieren, und erst danach könnte man die Frage der Machtergreifung durch das Proletariat und der Vergesellschaftung sämtlicher Produktionsmittel stellen. Es ist klar, dass Marxisten auf einen solchen „Ausweg“ nicht eingehen können, wenn sie sich nicht völlig mit Schande bedecken wollen.
Man kann auch die Auffassung anderer Pseudomarxisten nicht als Antwort betrachten, die meinen, man müsste doch die Macht ergreifen und zur Expropriation der kleinen und mittleren Produzenten im Dorf schreiten und ihre Produktionsmittel vergesellschaften. Diesen unsinnigen und verbrecherischen Weg können Marxisten ebenfalls nicht beschreiten, denn ein solcher Weg würde jede Möglichkeit des Sieges der proletarischen Revolution untergraben, würde die Bauernschaft auf lange Zeit ins Lager der Feinde des Proletariats treiben.
Die Antwort auf diese Frage gab Lenin in seinen Arbeiten über die „Naturalsteuer“ und in seinem berühmten „Genossenschaftsplan“. Lenins Antwort läuft, kurz gesagt, auf folgendes hinaus: a) günstige Bedingungen für die Machtergreifung darf man nicht vorübergehen lassen, das Proletariat muss die Macht ergreifen, ohne den Augenblick abzuwarten, bis der Kapitalismus die viele Millionen zählende Bevölkerung der kleinen und mittleren individuellen Produzenten ruiniert hat;
b) die Produktionsmittel in der Industrie sind zu expropriieren und in allgemeines Volkseigentum überzuführen; c) was die kleinen und mittleren individuellen Produzenten anbelangt, so sind sie allmählich in Produktionsgenossenschaften, das heißt in großen landwirtschaftlichen Betrieben, in Kollektivwirtschaften zu vereinigen;
d) die Industrie ist auf jede Weise zu entwickeln, und für die Kollektivwirtschaften ist eine moderne technische Basis der Großproduktion zu schaffen, wobei diese nicht zu expropriieren, sondern im Gegenteil in stärkstem Maße mit erstklassigen Traktoren und anderen Maschinen zu versorgen sind;
e) für den ökonomischen Zusammenschluss von Stadt und Land, von Industrie und Landwirtschaft ist die Warenproduktion (Austausch durch Kauf und Verkauf), als die für die Bauern einzig annehmbare Form der ökonomischen Verbindung mit der Stadt, für eine bestimmte Zeit beizubehalten und der Sowjethandel, der staatliche sowie der genossenschaftlich-kollektivwirtschaftliche Handel, auf jede Weise zu entwickeln, wobei alle und jegliche Kapitalisten aus dem Warenumlauf zu verdrängen sind.
Die Geschichte unseres sozialistischen Aufbaus zeigt, dass sich dieser von Lenin gewiesene Entwicklungsweg völlig bewährt hat. Es kann kein Zweifel bestehen, dass dieser Entwicklungsweg für alle kapitalistischen Länder, in denen es eine mehr oder weniger zahlreiche Klasse kleiner und mittlerer Produzenten gibt, der einzig mögliche und zweckmäßige Weg für den Sieg des Sozialismus ist.
Man sagt, dass die Warenproduktion dennoch unter allen Umständen zum Kapitalismus führen müsse und unbedingt dazu führe. Das stimmt nicht. Nicht immer und nicht unter allen Umständen! Man darf die Warenproduktion nicht mit der kapitalistischen Produktion gleichsetzen. Das sind zwei verschiedene Dinge. Die kapitalistische Produktion ist die höchste Form der Warenproduktion. Die Warenproduktion führt nur in dem Fall zum Kapitalismus, wenn das Privateigentum an Produktionsmitteln besteht, wenn die Arbeitskraft als Ware auf den Markt tritt, die der Kapitalist kaufen und im Produktionsprozess ausbeuten kann, wenn folglich im Lande das System der Ausbeutung der Lohnarbeiter durch die Kapitalisten besteht. Die kapitalistische Produktion beginnt dort, wo die Produktionsmittel in Privathand konzentriert und die der Produktionsmittel beraubten Arbeiter gezwungen sind, ihre Arbeitskraft als Ware zu verkaufen. Ohne dies gibt es keine kapitalistische Produktion.
Wenn nun aber diese Bedingungen, die die Warenproduktion in kapitalistische Produktion verwandeln, nicht vorhanden sind, wenn die Produktionsmittel schon nicht mehr privates, sondern sozialistisches Eigentum sind, wenn das System der Lohnarbeit nicht existiert und die Arbeitskraft keine Ware mehr ist, wenn das System der Ausbeutung schon längst beseitigt ist – wie ist es dann: Kann man dann annehmen, dass die Warenproduktion dennoch zum Kapitalismus führt? Nein, das kann man nicht annehmen. Aber unsere Gesellschaft ist ja gerade eine Gesellschaft, in der das Privateigentum an den Produktionsmitteln, das System der Lohnarbeit und das System der Ausbeutung schon seit langem nicht mehr existieren.
Man darf die Warenproduktion nicht als etwas sich selbst Genügendes, von den umgebenden ökonomischen Bedingungen Unabhängiges betrachten. Die Warenproduktion ist älter als die kapitalistische Produktion. Sie existierte in der Sklavenhalterordnung und diente ihr, hat jedoch nicht zum Kapitalismus geführt. Sie existierte im Feudalismus und diente ihm, hat jedoch, obwohl sie gewisse Voraussetzungen für die kapitalistische Produktion schuf, nicht zum Kapitalismus geführt. Es fragt sich, warum sollte die Warenproduktion nicht auch für eine bestimmte Periode unserer sozialistischen Gesellschaft dienen, ohne zum Kapitalismus zu führen, in Anbetracht der Tatsache, dass die Warenproduktion bei uns nicht eine solche unbegrenzte und allumfassende Verbreitung hat wie unter kapitalistischen Bedingungen, dass ihr bei uns dank solchen entscheidenden ökonomischen Bedingungen, wie dem gesellschaftlichen Eigentum an Produktionsmitteln, der Beseitigung des Systems der Lohnarbeit, der Beseitigung des Systems der Ausbeutung, feste Grenzen gezogen sind?
Man sagt. dass nach der Konstituierung der Herrschaft des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln in unserem Lande, nach der Beseitigung des Systems der Lohnarbeit und der Ausbeutung die Existenz der Warenproduktion ihren Sinn verloren habe und die Warenproduktion infolgedessen beseitigt werden müsste.
Das stimmt ebenfalls nicht. Gegenwärtig existieren bei uns zwei grundlegende Formen der sozialistischen Produktion: die staatliche, volkseigene, und die kollektivwirtschaftliche, die man nicht als volkseigene bezeichnen kann. In den staatlichen Betrieben sind die Produktionsmittel und die Erzeugnisse der Produktion allgemeines Volkseigentum. In den kollektivwirtschaftlichen Betrieben hingegen sind, obwohl die Produktionsmittel (Boden, Maschinen) auch dem Staat gehören, die Erzeugnisse der Produktion jedoch Eigentum der einzelnen Kollektivwirtschaften, da es sich in den Kollektivwirtschaften sowohl um eigene Arbeit als auch um eigenes Saatgut handelt, während die Kollektivwirtschaften über den Boden, der ihnen zur unbefristeten Nutzung übergeben worden ist, faktisch wie über ihr Eigentum verfügen, obwohl sie ihn weder verkaufen noch kaufen, weder verpachten noch verpfänden dürfen.
Dieser Umstand führt dazu, dass der Staat nur über die Erzeugnisse der staatlichen Betriebe verfügen kann, während über die kollektivwirtschaftlichen Erzeugnisse nur die Kollektivwirtschaften als über ihr Eigentum verfügen. Aber die Kollektivwirtschaften wollen ihre Produkte nicht anders als in Form von Waren veräußern, für die sie im Austausch die von ihnen benötigten Waren erhalten wollen. Andere ökonomische Verbindungen mit der Stadt als Warenbeziehungen, als Austausch durch Kauf und Verkauf sind für die Kollektivwirtschaften gegenwärtig nicht annehmbar. Darum sind Warenproduktion und Warenumlauf bei uns gegenwärtig eine ebensolche Notwendigkeit, wie sie es beispielsweise vor dreißig Jahren waren, als Lenin die Notwendigkeit der allseitigen Entfaltung des Warenumlaufs verkündete.
Wenn an die Stelle der zwei grundlegenden Produktionssektoren, des staatlichen und des kollektivwirtschaftlichen, ein allumfassender Produktionssektor mit dem Verfügungsrecht über alle Konsumgüter des Landes getreten sein wird, dann wird natürlich die Warenzirkulation mit ihrer „Geldwirtschaft“ als unnötiges Element der Volkswirtschaft verschwinden. Solange dies aber nicht der Fall ist, solange die zwei grundlegenden Produktionssektoren bestehen bleiben, müssen Warenproduktion und Warenzirkulation als notwendiges und sehr nützliches Element im System unserer Volkswirtschaft in Kraft bleiben. Auf welche Weise die Schaffung eines einheitlichen, vereinigten Sektors vor sich gehen wird, auf dem Wege der einfachen Aufsaugung des kollektivwirtschaftlichen Sektors durch den staatlichen Sektor, was wenig wahrscheinlich ist (denn das würde als Expropriation der Kollektivwirtschaften aufgefasst werden), oder auf dem Wege der Organisierung eines einheitlichen Wirtschaftsorgans des ganzen Volkes (in dem die staatliche Industrie und die Kollektivwirtschaften vertreten sein werden) mit dem Recht zunächst der Erfassung aller Konsumgüter des Landes und im Laufe der Zeit auch der Verteilung der Produkte, sagen wir, auf dem Wege des Produktenaustauschs – das ist eine besondere Frage, die eine getrennte Behandlung erfordert.
Folglich stellt unsere Warenproduktion keine gewöhnliche Warenproduktion dar, sondern eine Warenproduktion besonderer Art, eine Warenproduktion ohne Kapitalisten, die es hauptsächlich mit Waren vereinigter sozialistischer Produzenten (Staat, Kollektivwirtschaften, Genossenschaften) zu tun hat, deren Wirkungsbereich auf die Gegenstände des persönlichen Bedarfs beschränkt ist, die sich offensichtlich keinesfalls zur kapitalistischen Produktion entwickeln kann und dazu bestimmt ist, zusammen mit ihrer „Geldwirtschaft“ der Entwicklung und Festigung der sozialistischen Produktion zu dienen.
Darum sind jene Genossen völlig im Unrecht, die erklären: Da die sozialistische Gesellschaft die Warenform der Produktion nicht aufhebt, müssen bei uns angeblich alle dem Kapitalismus eigenen ökonomischen Kategorien wiederhergestellt werden: die Arbeitskraft als Ware, der Mehrwert, das Kapital, der Kapitalprofit, die Durchschnittsprofitrate usw. Diese Genossen verwechseln die Warenproduktion mit der kapitalistischen Produktion und nehmen an, dass, wenn schon Warenproduktion da ist, auch kapitalistische Produktion da sein müsse. Sie begreifen nicht, dass sich unsere Warenproduktion grundlegend von der Warenproduktion im Kapitalismus unterscheidet. Mehr noch, ich denke, es ist notwendig, auch einige andere Begriffe über Bord zu werfen, die dem „Kapital“ von Marx entnommen sind, wo Marx sich mit der Analyse des Kapitalismus beschäftigt hat, und die unseren sozialistischen Verhältnissen künstlich angeheftet werden. Ich denke hier unter anderem an Begriffe wie „notwendige“ Arbeit und „Mehr“arbeit, „notwendiges“    Produkt    und    „Mehr“produkt,    „notwendige“    Arbeitszeit    und „Surplus“arbeitszeit. Marx hat den Kapitalismus analysiert, um die Quelle der Ausbeutung der Arbeiterklasse, den Mehrwert aufzudecken und der der Produktionsmittel beraubten Arbeiterklasse die geistige Waffe für den Sturz des Kapitalismus zu geben. Es ist klar, dass Marx dabei Begriffe (Kategorien) verwendet, die den kapitalistischen Beziehungen völlig entsprechen. Aber es ist mehr als sonderbar, jetzt mit diesen Begriffen zu operieren, da die Arbeiterklasse der Macht und der Produktionsmittel nicht nur nicht beraubt ist, sondern umgekehrt, die Macht in ihren Händen hat und die Produktionsmittel besitzt. Jetzt, bei unserer Ordnung, klingen die Worte von der Arbeitskraft als Ware, vom „Dingen“ der Arbeiter recht absurd: als ob die Arbeiterklasse, die die Produktionsmittel besitzt, sich selbst dingt und an sich selbst ihre Arbeitskraft verkauft. Ebenso sonderbar ist es, jetzt von „notwendiger“ Arbeit und „Mehr“arbeit zu sprechen: als ob unter unseren Bedingungen die Arbeit der Arbeiter, die für die Gesellschaft geleistet wird und die der Erweiterung der Produktion, der Entwicklung des Bildungswesens, des Gesundheitsschutzes, der Organisierung der Verteidigung usw. gilt, für die Arbeiterklasse, die heute an der Macht steht, nicht ebenso notwendig wäre wie die Arbeit, die für die Deckung des persönlichen Bedarfs des Arbeiters und seiner Familie verausgabt wird.
Es muss bemerkt werden, dass Marx in seiner Arbeit „Kritik des Gothaer Programms“, wo er schon nicht den Kapitalismus, sondern unter anderem die erste Phase der kommunistischen Gesellschaft untersucht, die Arbeit, die für die Gesellschaft geleistet wird und die der Erweiterung der Produktion, dem Bildungswesen, dem Gesundheitsschutz, den Verwaltungskosten, der Bildung von Reserven usw. gilt, als ebenso notwendig anerkennt wie die Arbeit, die für die Deckung des Konsumbedarfs der Arbeiterklasse verausgabt wird.
Ich denke, unsere Wirtschaftswissenschaftler müssen dieses Missverhältnis zwischen den alten Begriffen und der neuen Sachlage in unserem sozialistischen Lande beseitigen und die alten Begriffe durch neue, der neuen Lage entsprechende, ersetzen. Wir konnten dieses Missverhältnis bis zu einer gewissen Zeit dulden, jetzt aber ist die Zeit gekommen, wo wir dieses Missverhältnis endlich beseitigen müssen.

3. Die Frage des Wertgesetzes im Sozialismus

Mitunter wird die Frage gestellt: Besteht und wirkt bei uns, in unserer sozialistischen Ordnung, das Wertgesetz? Ja, es besteht und wirkt. Dort, wo es Waren und Warenproduktion gibt, muss es auch das Wertgesetz geben.
Der Wirkungsbereich des Wertgesetzes erstreckt sich bei uns vor allem auf die Warenzirkulation, auf den Warenaustausch durch Kauf und Verkauf, auf den Austausch hauptsächlich von Waren des persönlichen Bedarfs. Hier, auf diesem Gebiet, behält das Wertgesetz, natürlich in bestimmten Grenzen, die Rolle eines Regulators.
Aber die Wirkungen des Wertgesetzes sind nicht auf die Sphäre der Warenzirkulation beschränkt. Sie erstrecken sich auch auf die Produktion. Allerdings hat das Wertgesetz in unserer sozialistischen Produktion keine regulierende Bedeutung, aber es wirkt dennoch auf die Produktion ein, und das darf bei der Leitung der Produktion nicht außer acht gelassen werden. Es ist so, dass die Konsumgüter, die für die Deckung des Aufwands an Arbeitskraft im Produktionsprozess notwendig sind, bei uns als Waren erzeugt und realisiert werden, die der Wirkung des Wertgesetzes unterliegen. Hier gerade zeigt sich die Einwirkung des Wertgesetzes auf die Produktion. Im Zusammenhang damit haben in unseren Betrieben solche Fragen wie die wirtschaftliche Rechnungsführung und die Rentabilität, die Selbstkosten, die Preise und dergleichen aktuelle Bedeutung. Darum können und dürfen unsere Betriebe das Wertgesetz nicht außer acht lassen.
Ist das gut? Es ist nicht schlecht. Bei unseren gegenwärtigen Verhältnissen ist es tatsächlich nicht schlecht, da dieser Umstand unsere Wirtschaftler im Geiste der rationellen Betriebsführung erzieht und sie zur Disziplin anhält. Es ist nicht schlecht, da dieser Umstand unsere Wirtschaftler lehrt, die Produktionsgrößen zu berechnen, sie genau zu berechnen und ebenso genau die realen Dinge in der Produktion in Rechnung zu stellen, anstatt sich mit Geschwätz über aus der Luft gegriffene „schätzungsweise Angaben“ zu befassen. Es ist nicht schlecht, da dieser Umstand unsere Wirtschaftler lehrt, die in der Produktion verborgenen Reserven zu suchen, ausfindig zu machen und auszunutzen, anstatt sie mit Füßen zu treten. Es ist nicht schlecht, da dieser Umstand unsere Wirtschaftler lehrt, systematisch die Produktionsmethoden zu verbessern, die Selbstkosten der Produktion zu senken, die wirtschaftliche Rechnungsführung zu verwirklichen und die Rentabilität der Betriebe zu erzielen. Dies ist eine gute, praktische Schule, die das Wachstum unserer Wirtschaftskader und ihre Verwandlung in wirkliche Leiter der sozialistischen Produktion in der gegenwärtigen Entwicklungsetappe beschleunigt.
Schlimm ist nicht, dass das Wertgesetz bei uns auf die Produktion einwirkt. Schlimm ist, dass unsere Wirtschaftler und Planer, mit wenigen Ausnahmen, die Wirkungen des Wertgesetzes schlecht kennen, sie nicht studieren, und es nicht verstehen, sie in ihren Berechnungen zu berücksichtigen. Daraus erklärt sich denn auch das Durcheinander, das bei uns immer noch in der Frage der Preispolitik herrscht. Nur eins der zahlreichen Beispiele: Vor einiger Zeit wurde beschlossen, das Verhältnis zwischen Baumwoll- und Getreidepreisen, im Interesse des Baumwollanbaus, zu regeln, die Preise für das Getreide, das an die Baumwollbauern verkauft wird, genauer festzulegen und die Preise für die Baumwolle, die an den Staat abgeliefert wird, zu erhöhen. Im Zusammenhang damit unterbreiteten unsere Wirtschaftler und Planer einen Vorschlag, der die ZK-Mitglieder nur in Erstaunen setzen konnte, da nach diesem Vorschlag für eine Tonne Getreide fast der gleiche Preis vorgeschlagen wurde wie für eine Tonne Baumwolle, wobei der Preis für eine Tonne Getreide dem Preis für eine Tonne gebackenes Brot gleichgesetzt wurde. Auf die Bemerkungen der ZK-Mitglieder, dass der Preis für eine Tonne gebackenes Brot in Anbetracht der zusätzlichen Kosten für das Mahlen und Backen höher sein muss als der Preis für eine Tonne Getreide, dass Baumwolle überhaupt viel teurer ist als Getreide, wovon auch die Weltmarktpreise für Baumwolle und Getreide zeugen, konnten die Verfasser des Vorschlags nichts Vernünftiges sagen. Infolgedessen musste das ZK die Sache in die Hand nehmen, die Getreidepreise herabsetzen und die Baumwollpreise erhöhen. Was wäre geschehen, wenn der Vorschlag dieser Genossen Gesetzeskraft erlangt hätte? Wir hätten die Baumwollbauern ruiniert und wären ohne Baumwolle geblieben. Bedeutet dies alles jedoch, dass die Wirkungen des Wertgesetzes bei uns den gleichen Spielraum haben wie im Kapitalismus, dass das Wertgesetz bei uns der Regulator der Produktion ist? Nein, das bedeutet es nicht. In der Tat ist der Wirkungsbereich des Wertgesetzes in unserer ökonomischen Ordnung streng begrenzt, sind diesem Wirkungsbereich Schranken gesetzt. Es wurde bereits gesagt, dass der Wirkungsbereich der Warenproduktion in unserer Ordnung begrenzt ist und ihm Schranken gesetzt sind. Das gleiche muss über den Wirkungsbereich des Wertgesetzes gesagt werden. Ohne Zweifel müssen das Fehlen des Privateigentums an Produktionsmitteln und die Vergesellschaftung der Produktionsmittel sowohl in der Stadt als auch auf dem Lande den Wirkungsbereich des Wertgesetzes und seine Einwirkung auf die Produktion einschränken.
In der gleichen Richtung wirkt das Gesetz der planmäßigen (proportionalen) Entwicklung der Volkswirtschaft, das an die Stelle des Gesetzes der Konkurrenz und der Anarchie der Produktion getreten ist. In der gleichen Richtung wirken unsere Jahres- und Fünfjahrpläne und überhaupt unsere ganze Wirtschaftspolitik, die sich auf die Erfordernisse des Gesetzes der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft stützen.
Das alles zusammengenommen führt dazu, dass der Wirkungsbereich des Wertgesetzes bei uns streng begrenzt ist und das Wertgesetz in unserer Ordnung nicht die Rolle des Regulators der Produktion spielen kann. Daraus erklärt sich denn auch die „erstaunliche“ Tatsache, dass trotz des ununterbrochenen und stürmischen Wachstums unserer sozialistischen Produktion das Wertgesetz bei uns nicht zu Überproduktionskrisen führt, während dasselbe Wertgesetz, das im Kapitalismus einen breiten Wirkungsbereich hat, trotz des niedrigen Wachstumstempos der Produktion in den kapitalistischen Ländern, zu periodischen Oberproduktionskrisen führt.
Man sagt, das Wertgesetz sei ein ständiges Gesetz, das für alle Perioden der historischen Entwicklung unbedingt gültig sei, das Wertgesetz bleibe, auch wenn es in der Periode der zweiten Phase der kommunistischen Gesellschaft seine Kraft als Regulator der Tauschbeziehungen verliert, in dieser Entwicklungsphase doch in Kraft als Regulator der Verhältnisse zwischen den verschiedenen Produktionszweigen, als Regulator der Verteilung der Arbeit zwischen den Produktionszweigen.
Das ist völlig falsch. Der Wert ist, wie auch das Wertgesetz, eine historische Kategorie, die mit der Existenz der Warenproduktion verbunden ist. Mit dem Verschwinden der Warenproduktion verschwinden auch der Wert mit seinen Formen und das Wertgesetz. In der zweiten Phase der kommunistischen Gesellschaft wird die Menge der für die Herstellung der Produkte aufgewandten Arbeit nicht auf einem Umwege gemessen werden, nicht vermittels des Wertes und seiner Formen, wie es in der Warenproduktion der Fall ist, sondern direkt und unmittelbar – durch die zur Herstellung der Produkte verausgabte Menge der Zeit, Menge der Stunden. Was die Verteilung der Arbeit anbelangt, so wird die Verteilung der Arbeit zwischen den Produktionszweigen nicht durch das Wertgesetz reguliert werden, das zu dieser Zeit seine Kraft verlieren wird, sondern durch das Wachstum des Bedarfs der Gesellschaft an Produkten. Das wird eine Gesellschaft sein, in der die Produktion durch die Bedürfnisse der Gesellschaft reguliert werden und die Erfassung der Bedürfnisse der Gesellschaft für die Planungsorgane erstrangige Bedeutung erlangen wird.
Völlig falsch ist auch die Behauptung, dass in unserer gegenwärtigen ökonomischen Ordnung, in der ersten Phase der Entwicklung der kommunistischen Gesellschaft, das Wertgesetz angeblich die „Proportionen“ der Verteilung der Arbeit zwischen den verschiedenen Produktionszweigen reguliere.
Wenn das stimmte, dann ist es unverständlich, warum bei uns nicht die Leichtindustrie als die rentabelste mit aller Macht entwickelt wird, warum ihr nicht der Vorrang gegeben wird vor der Schwerindustrie, die oftmals weniger rentabel und bisweilen überhaupt nicht rentabel ist. Wenn das stimmte, dann ist es unverständlich, warum bei uns eine Reihe vorläufig noch unrentabler Betriebe der Schwerindustrie, in denen die Arbeit der Arbeiter nicht den „nötigen Effekt“ zeitigt, nicht geschlossen wird und nicht neue Betriebe der zweifellos rentablen Leichtindustrie eröffnet werden, in denen die Arbeit der Arbeiter einen „größeren Effekt“ zeitigen könnte.
Wenn das stimmte, dann ist es unverständlich, warum bei uns die Arbeiter aus den wenig rentablen, aber für die Volkswirtschaft sehr notwendigen Betrieben nicht in rentablere Betriebe übergeführt werden im Einklang mit dem Wertgesetz, das angeblich die „Proportion“ der Verteilung der Arbeit zwischen den Produktionszweigen reguliert.
Es ist offensichtlich, dass wir, wollten wir in die Fußtapfen dieser Genossen treten, uns von dem Primat der Produktion von Produktionsmitteln lossagen müssten zugunsten der Produktion von Konsumtionsmitteln. Was aber bedeutet, sich von dem Primat der Produktion von Produktionsmitteln lossagen? Das bedeutet, unserer Volkswirtschaft die Möglichkeit des ununterbrochenen Wachstums zu nehmen, denn es ist unmöglich, das ununterbrochene Wachstum der Volkswirtschaft zu gewährleisten, ohne zugleich das Primat der Produktion von Produktionsmitteln zu gewährleisten.
Diese Genossen vergessen, dass das Wertgesetz nur im Kapitalismus, nur beim Vorhandensein des Privateigentums an den Produktionsmitteln, beim Vorhandensein der Konkurrenz, der Anarchie der Produktion, der Überproduktionskrisen Regulator der Produktion sein kann. Sie vergessen, dass der Wirkungsbereich des Wertgesetzes bei uns durch das Vorhandensein des gesellschaftlichen Eigentums an den Produktionsmitteln, durch die Wirkung des Gesetzes der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft eingeschränkt ist – dass er folglich auch durch unsere Jahres- und Fünfjahrpläne eingeschränkt ist, die eine annähernde Widerspiegelung der Erfordernisse dieses Gesetzes sind.
Manche Genossen ziehen daraus den Schluss, dass das Gesetz der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft und die Planung der Volkswirtschaft das Prinzip der Rentabilität der Produktion aufheben. Das ist völlig falsch. Die Sache verhält sich gerade umgekehrt. Wenn man die Rentabilität nicht vom Standpunkt einzelner Betriebe oder Produktionszweige betrachtet und nicht den Maßstab eines Jahres anlegt, sondern sie vom Standpunkt der gesamten Volkswirtschaft betrachtet und den Maßstab von etwa 10 bis 15 Jahren anlegt, was die einzig richtige Fragestellung wäre, dann steht die zeitweilige und labile Rentabilität einzelner Betriebe oder Produktionszweige in gar keinem Vergleich zu der höheren Form der sicheren und ständigen Rentabilität, die uns die Wirkung des Gesetzes der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft und die Planung der Volkswirtschaft gewährleisten, indem sie uns vor den periodischen Wirtschaftskrisen, die die Volkswirtschaft zerrütten und der Gesellschaft gewaltigen materiellen Schaden zufügen, bewahren und uns das ununterbrochene außerordentlich schnelle Wachstum der Volkswirtschaft sichern.
Kurz gesagt, es kann kein Zweifel bestehen, dass unter unseren gegenwärtigen sozialistischen Produktionsbedingungen das Wertgesetz nicht der „Regulator der Proportionen“ bei der Verteilung der Arbeit zwischen den verschiedenen Produktionszweigen sein kann.

4. Die Frage der Aufhebung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land, zwischen geistiger und körperlicher Arbeit, sowie die Frage der Beseitigung der Unterschiede zwischen ihnen

Diese Überschrift berührt eine Reihe von Problemen, die sich wesentlich voneinander unterscheiden; ich vereinige sie jedoch in einem Kapitel, nicht um sie miteinander zu vermengen, sondern ausschließlich der Kürze der Darstellung wegen. Das Problem der Aufhebung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land, zwischen Industrie und Landwirtschaft ist ein bekanntes Problem, das bereits vor langem von Marx und Engels behandelt wurde. Die ökonomische Grundlage dieses Gegensatzes bilden die Ausbeutung des Dorfes durch die Stadt, die Expropriation der Bauernschaft und die Ruinierung der Mehrheit der ländlichen Bevölkerung durch den ganzen Verlauf der Entwicklung der Industrie, des Handels, des Kreditsystems im Kapitalismus. Darum muss der Gegensatz zwischen Stadt und Land im Kapitalismus als Interessengegensatz betrachtet werden. Auf diesem Boden entstand das feindliche Verhalten des Dorfes zur Stadt und überhaupt zu den „Städtern“.
Zweifellos musste mit der Beseitigung des Kapitalismus und des Systems der Ausbeutung, mit der Festigung der sozialistischen Ordnung in unserem Lande auch der Interessengegensatz zwischen Stadt und Land, zwischen Industrie und Landwirtschaft verschwinden. So geschah es auch. Die gewaltige Hilfe, die unserer Bauernschaft von der sozialistischen Stadt, von unserer Arbeiterklasse bei der Liquidierung der Gutsbesitzer und des Kulakentums erwiesen wurde, festigte den Boden für das Bündnis der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft, und die systematische Versorgung der Bauernschaft und ihrer Kollektivwirtschaften mit erstklassigen Traktoren und anderen Maschinen verwandelte das Bündnis der Arbeiterklasse mit der Bauernschaft in Freundschaft zwischen ihnen. Natürlich stellen die Arbeiter und die Kollektivbauernschaft dennoch zwei Klassen dar, die sich ihrer Lage nach voneinander unterscheiden. Aber dieser Unterschied schwächt in keiner Weise ihre Freundschaft. Im Gegenteil, ihre Interessen liegen auf der gleichen gemeinsamen Linie, auf der Linie der Festigung der sozialistischen Ordnung und des Sieges des Kommunismus. Es ist daher nicht verwunderlich, dass von dem früheren Misstrauen, schon gar nicht zu reden von dem Hass des Dorfes gegen die Stadt, auch nicht eine Spur übrig geblieben ist.
All dies bedeutet, dass dem Gegensatz zwischen Stadt und Land, zwischen Industrie und Landwirtschaft durch unsere gegenwärtige sozialistische Ordnung bereits der Boden entzogen ist. Das bedeutet natürlich nicht, dass die Aufhebung des Gegensatzes zwischen Stadt und Land zum „Untergang der großen Städte“ führen muss (siehe den „Anti-Dühring“ von Engels). Die großen Städte werden nicht nur nicht untergehen, sondern es werden noch neue große Städte entstehen als Zentren des größten Wachstums der Kultur, als Zentren nicht nur der Großindustrie, sondern auch der Verarbeitung der landwirtschaftlichen Produkte und der mächtigen Entwicklung aller Zweige der Nahrungsmittelindustrie. Dieser Umstand wird das kulturelle Aufblühen des Landes erleichtern und zur Angleichung der Lebensbedingungen in der Stadt und auf dem Lande führen.
Eine analoge Lage haben wir in Bezug auf das Problem der Aufhebung des Gegensatzes zwischen geistiger und körperlicher Arbeit. Dieses Problem ist ebenfalls ein bekanntes Problem, das bereits vor langem von Marx und Engels behandelt wurde. Die ökonomische Grundlage des Gegensatzes zwischen geistiger und körperlicher Arbeit ist die Ausbeutung der körperlich Arbeitenden durch Vertreter geistiger Arbeit. Allen bekannt ist die Kluft, die während des Kapitalismus in den Betrieben zwischen den körperlich Arbeitenden und dem leitenden Personal bestand. Bekanntlich hat sich auf Grund dieser Kluft das feindliche Verhalten der Arbeiter zum Direktor, zum Meister, zum Ingenieur und zu den anderen Vertretern des technischen Personals, als zu ihren Feinden, entwickelt. Es ist klar, dass mit der Beseitigung des Kapitalismus und des Systems der Ausbeutung auch der Interessengegensatz zwischen körperlicher und geistiger Arbeit verschwinden musste. Und er ist in unserer heutigen sozialistischen Ordnung tatsächlich verschwunden. Jetzt sind die körperlich Arbeitenden und das leitende Personal nicht Feinde, sondern Genossen, Freunde, Mitglieder des einheitlichen Produktionskollektivs, die am Gedeihen und an der Verbesserung der Produktion zutiefst interessiert sind. Von der früheren Feindschaft zwischen ihnen ist auch nicht eine Spur übrig geblieben,
Einen völlig anderen Charakter hat das Problem des Verschwindens der Unterschiede zwischen der Stadt (Industrie) und dem Dorf (Landwirtschaft), zwischen körperlicher und geistiger Arbeit. Dieses Problem wurde von den Klassikern des Marxismus nicht behandelt. Das ist ein neues Problem, vor das wir durch die Praxis unseres sozialistischen Aufbaus gestellt wurden.
Ist das nicht ein ausgeklügeltes Problem, hat es für uns irgendeine praktische oder theoretische Bedeutung? Nein, dieses Problem darf man nicht als ausgeklügeltes Problem betrachten. Im Gegenteil, es ist ein für uns im höchsten Maße ernstes Problem. Wenn man zum Beispiel den Unterschied zwischen der Landwirtschaft und der Industrie nimmt, so besteht er bei uns nicht nur darin, dass die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft von den Arbeitsbedingungen in der Industrie verschieden sind, sondern vor allem und hauptsächlich darin, dass wir in der Industrie allgemeines Volkseigentum an den Produktionsmitteln und den Erzeugnissen der Produktion haben, während wir in der Landwirtschaft nicht allgemeines Volkseigentum, sondern    Gruppeneigentum, kollektivwirtschaftliches Eigentum haben. Es wurde bereits gesagt, dass dieser Umstand zur Erhaltung der Warenzirkulation führt, dass nur mit dem Verschwinden dieses Unterschieds zwischen der Industrie und der Landwirtschaft die Warenproduktion mit allen sich aus ihr ergebenden Folgen verschwinden kann. Folglich kann nicht geleugnet werden, dass das Verschwinden dieses wesentlichen Unterschieds zwischen der Landwirtschaft und der Industrie für uns erstrangige Bedeutung haben muss.
Dasselbe muss über das Problem der Beseitigung des wesentlichen Unterschieds zwischen geistiger und körperlicher Arbeit gesagt werden. Dieses Problem ist für uns ebenfalls von erstrangiger Bedeutung. Bis zu Beginn der Entfaltung des sozialistischen Massenwettbewerbs ging das Wachstum der Industrie bei uns nur mit großen Reibungen vor sich, und viele Genossen stellten sogar die Frage der Verlangsamung des Tempos der Entwicklung der Industrie. Das erklärt sich hauptsächlich daraus, dass das kulturelle und technische Niveau der Arbeiter zu niedrig war und weit hinter dem Niveau des technischen Personals zurückblieb. Die Sache änderte sich jedoch grundlegend, nachdem der sozialistische Wettbewerb bei uns Massencharakter angenommen hatte. Gerade danach ging es mit der Industrie in beschleunigtem Tempo aufwärts. Warum nahm der sozialistische Wettbewerb Massencharakter an? Weil sich unter den Arbeitern ganze Gruppen von Genossen fanden, die sich nicht nur das technische Minimum aneigneten, sondern weitergingen, das Niveau des technischen Personals erreichten und begannen, die Techniker und Ingenieure zu korrigieren, mit den bestehenden Normen als veralteten Normen zu brechen und neue, zeitgemäßere Normen einzuführen usw. Was wäre gewesen, wenn nicht einzelne Gruppen von Arbeitern, sondern die Mehrheit der Arbeiter ihr kulturelles und technisches Niveau auf das Niveau von Ingenieuren und Technikern gehoben hätten? Unsere Industrie hätte eine Höhe erreicht, die für die Industrie anderer Länder unerreichbar ist. Folglich kann nicht geleugnet werden, dass die Beseitigung des wesentlichen Unterschieds zwischen geistiger und körperlicher Arbeit durch Hebung des kulturellen und technischen Niveaus der Arbeiter auf das Niveau des technischen Personals für uns erstrangige Bedeutung haben muss.
Manche Genossen behaupten, dass mit der Zeit nicht nur der wesentliche Unterschied zwischen Industrie und Landwirtschaft, zwischen körperlicher und geistiger Arbeit verschwinde, sondern dass sogar jeglicher Unterschied zwischen ihnen verschwinde. Das stimmt nicht. Die Beseitigung des wesentlichen Unterschieds zwischen Industrie und Landwirtschaft kann nicht zur Beseitigung jeglichen Unterschieds zwischen ihnen führen. Irgendein Unterschied, wenn auch kein wesentlicher, wird angesichts der Verschiedenheit der Arbeitsbedingungen in der Industrie und in der Landwirtschaft unbedingt bestehen bleiben. Sogar in der Industrie sind, wenn man ihre verschiedenen Zweige betrachtet, die Arbeitsbedingungen nicht überall die gleichen: Die Arbeitsbedingungen der Bergarbeiter beispielsweise sind von den Arbeitsbedingungen der Arbeiter einer mechanisierten Schuhfabrik verschieden, die Arbeitsbedingungen der Arbeiter im Erzbergbau sind von den Arbeitsbedingungen der Arbeiter in der Maschinenbauindustrie verschieden. Wenn dies richtig ist, so muss umso mehr ein gewisser Unterschied zwischen Industrie und Landwirtschaft bestehen bleiben.
Dasselbe muss über den Unterschied zwischen geistiger und körperlicher Arbeit gesagt werden. Der wesentliche Unterschied zwischen ihnen im Sinne der großen Ungleichheit im kulturell-technischen Niveau wird unbedingt verschwinden. Aber irgendein Unterschied, wenn auch kein wesentlicher, wird dennoch bestehen bleiben, und sei es nur darum, weil die Arbeitsbedingungen des leitenden Personals der Betriebe und die Arbeitsbedingungen der Arbeiter nicht die gleichen sind.
Die Genossen, die das Gegenteil behaupten, stützen sich wahrscheinlich auf die bekannte Formulierung in einigen meiner Ausführungen, wo von der Beseitigung des Unterschieds zwischen Industrie und Landwirtschaft, zwischen geistiger und körperlicher Arbeit die Rede ist, ohne dass der Vorbehalt gemacht wird, dass es sich um die Beseitigung des wesentlichen, nicht aber jeglichen Unterschieds handelt. Die Genossen haben meine Formulierung eben in diesem Sinne aufgefasst und angenommen, dass die Beseitigung jeglichen Unterschieds gemeint ist. Das bedeutet aber, dass die Formulierung ungenau, unbefriedigend war. Man muss sie fallenlassen und durch eine andere Formulierung ersetzen, die von der Beseitigung der wesentlichen Unterschiede und vom Bestehenbleiben unwesentlicher Unterschiede zwischen Industrie und Landwirtschaft, zwischen geistiger und körperlicher Arbeit spricht.

5. Die Frage des Zerfalls des einheitlichen Weltmarktes und der Vertiefung der Krise des kapitalistischen Weltsystems

Als wichtigstes ökonomisches Ergebnis des zweiten Weltkrieges und seiner wirtschaftlichen Folgen muss der Zerfall des einheitlichen, allumfassenden Weltmarktes betrachtet werden. Dieser Umstand bedingte die weitere Vertiefung der allgemeinen Krise des kapitalistischen Weltsystems.
Der zweite Weltkrieg selbst ist durch diese Krise hervorgebracht worden. Jede der zwei kapitalistischen Koalitionen, die sich während des Krieges ineinander verbissen hatten, rechnete darauf, den Gegner zu schlagen und die Weltherrschaft zu erlangen. Darin suchten sie den Ausweg aus der Krise. Die Vereinigten Staaten von Amerika rechneten darauf, ihre gefährlichsten Konkurrenten, Deutschland und Japan, auszuschalten, die ausländischen Märkte sowie die Weltrohstoffressourcen an sich zu reißen und die Weltherrschaft zu erlangen.
Der Krieg hat diese Hoffnungen jedoch nicht erfüllt. Zwar wurden Deutschland und Japan als Konkurrenten der drei wichtigsten kapitalistischen Länder, der USA, Englands, Frankreichs, ausgeschaltet. Aber zugleich fielen China und in Europa die anderen volksdemokratischen Länder vom kapitalistischen System ab und bildeten zusammen mit der Sowjetunion das einheitliche und mächtige sozialistische Lager, das dem Lager des Kapitalismus gegenübersteht. Das ökonomische Ergebnis der Existenz der zwei gegensätzlichen Lager ist, dass der einheitliche, allumfassende Weltmarkt zerfallen ist und wir infolgedessen jetzt zwei parallele Weltmärkte haben, die ebenfalls einander gegenüberstehen.
Es muss bemerkt werden, dass die USA sowie England und Frankreich, natürlich ohne ihren Willen, die Bildung und Festigung des neuen, parallelen Weltmarktes selbst gefördert haben. Sie haben über die UdSSR, China und die europäischen volksdemokratischen Länder, die sich nicht dem „Marshallplan“-System angeschlossen haben, die ökonomische Blockade verhängt in der Hoffnung, sie damit zu erdrosseln. In der Tat aber ergab sich keine Erdrosselung, sondern eine Festigung des neuen Weltmarktes.
Das Wesentliche ist hierbei jedoch natürlich nicht die ökonomische Blockade, sondern, dass sich diese Länder in der Nachkriegsperiode wirtschaftlich zusammengeschlossen und eine ökonomische Zusammenarbeit und gegenseitige Hilfe in die Wege geleitet haben. Die Erfahrung dieser Zusammenarbeit zeigt, dass kein einziges kapitalistisches Land den volksdemokratischen Ländern eine so wirksame und technisch qualifizierte Hilfe hätte erweisen können, wie sie ihnen die Sowjetunion erweist. Es geht nicht nur darum, dass diese Hilfe äußerst wohlfeil und technisch erstklassig ist. Es geht vor allem darum, dass dieser Zusammenarbeit der aufrichtige Wunsch zugrunde liegt, einander zu helfen und einen allgemeinen wirtschaftlichen Aufschwung zu erzielen. Das Ergebnis ist, dass wir ein hohes Tempo der industriellen Entwicklung in diesen Ländern haben. Man kann mit Bestimmtheit sagen, dass es bei einem solchen Entwicklungstempo der Industrie bald dahin kommt, dass diese Länder nicht nur nicht auf die Einfuhr von Waren aus den kapitalistischen Ländern angewiesen sind, sondern selbst die Notwendigkeit spüren, die überschüssigen Waren ihrer Produktion zu exportieren.
Daraus folgt aber, dass das Gebiet, wo die ausschlaggebenden kapitalistischen Länder (USA, England, Frankreich) mit ihren Kräften auf die Weltressourcen einwirken, sich nicht erweitern, sondern einengen wird, dass sich für diese Länder die Absatzbedingungen auf dem Weltmarkt verschlechtern werden und dass die Unterbelastung der Betriebe in diesen Ländern zunehmen wird. Darin besteht eigentlich auch die Vertiefung der allgemeinen Krise des kapitalistischen Weltsystems im Zusammenhang mit dem Zerfall des Weltmarktes. Das spüren die Kapitalisten selbst, denn es ist schwer, den Verlust solcher Märkte wie der UdSSR und Chinas nicht zu spüren. Sie bemühen sich, über diese Schwierigkeiten durch den „Marshallplan“, den Krieg in Korea, das Rüstungsfieber und die Militarisierung der Industrie hinwegzukommen. Das sieht aber genauso aus, als ob Ertrinkende nach dem Strohhalm greifen.
Im Zusammenhang mit dieser Lage sind den Wirtschaftswissenschaftlern zwei Fragen gestellt: a) Kann man behaupten, dass Stalins bekannte, vor dem zweiten Weltkrieg aufgestellte These über die relative Stabilität der Märkte in der Periode der allgemeinen Krise des Kapitalismus noch immer in Kraft bleibt?
b) Kann man behaupten, dass Lenins bekannte, im Frühjahr 1916 aufgestellte These, wonach der Kapitalismus trotz seiner Fäulnis „im großen und ganzen unvergleichlich schneller wächst als früher“, noch immer in Kraft bleibt? Ich denke, das kann man keineswegs behaupten. Angesichts der neuen Bedingungen, die im Zusammenhang mit dem zweiten Weltkrieg aufgetreten sind, muss festgestellt werden, dass beide Thesen ihre Geltung verloren haben.

6. Die Frage der Unvermeidlichkeit von Kriegen zwischen den kapitalistischen Ländern

Manche Genossen behaupten, dass infolge der Entwicklung der neuen internationalen Bedingungen nach dem zweiten Weltkrieg Kriege zwischen den kapitalistischen Ländern nicht mehr unvermeidlich seien. Sie meinen, dass die Gegensätze zwischen dem Lager des Sozialismus und dem Lager des Kapitalismus stärker seien als die Gegensätze zwischen den kapitalistischen Ländern, dass die Vereinigten Staaten von Amerika sich die anderen kapitalistischen Länder so weit untergeordnet hätten, um ihnen nicht zu gestatten, untereinander Krieg zu führen und sich gegenseitig zu schwächen, dass die tonangebenden Leute des Kapitalismus aus der Erfahrung zweier Weltkriege, die der ganzen kapitalistischen Welt schweren Schaden zugefügt haben, genügend gelernt hätten, um sich nicht noch einmal zu erlauben, die kapitalistischen Länder in einen Krieg gegeneinander hineinzuziehen – dass infolge all dessen die Kriege zwischen den kapitalistischen Ländern nicht mehr unvermeidlich seien.
Diese Genossen irren sich. Sie sehen die an der Oberfläche schimmernden äußeren Erscheinungen, aber sie sehen nicht die in der Tiefe wirkenden Kräfte, die, obwohl sie vorläufig unmerkbar wirken, dennoch den Lauf der Ereignisse bestimmen werden. Nach außen hin scheint alles „wohlgeordnet“ zu sein. Die Vereinigten Staaten von Amerika haben Westeuropa, Japan und andere kapitalistische Länder auf Ration gesetzt; (West)- Deutschland, England, Frankreich, Italien, Japan, die in die Klauen der USA geraten sind, führen gehorsam die Befehle der USA aus. Es wäre aber falsch, wollte man annehmen, dieser „wohlgeordnete Zustand“ könne „in alle Ewigkeit“ erhalten bleiben, diese Länder würden die Herrschaft und das Joch der Vereinigten Staaten von Amerika endlos dulden, sie würden nicht versuchen, aus der amerikanischen Knechtschaft auszubrechen und den Weg einer selbständigen Entwicklung zu beschreiten.
Nehmen wir vor allem England und Frankreich. Ohne Zweifel sind dies imperialistische Länder. Ohne Zweifel haben billige Rohstoffe und gesicherte Absatzmärkte für sie erstrangige Bedeutung. Kann man annehmen, dass sie die gegenwärtige Lage endlos dulden werden, da die Amerikaner unter dem Deckmantel der „Hilfe“ auf der Linie des „Marshallplans“ in die Wirtschaft Englands und Frankreichs eindringen und bestrebt sind, sie in ein Anhängsel der Wirtschaft der Vereinigten Staaten von Amerika zu verwandeln, da das amerikanische Kapital die Rohstoffe und die Absatzmärkte in den englisch-französischen Kolonien an sich reißt und damit den hohen Profiten der englisch-französischen Kapitalisten eine Katastrophe bereitet? Ist es nicht richtiger zu sagen, dass das kapitalistische England und, ihm folgend, auch das kapitalistische Frankreich schließlich und endlich gezwungen sein werden, sich aus der Umarmung der USA loszureißen und einen Konflikt mit ihnen zu riskieren, um sich eine selbständige Stellung und, natürlich, hohe Profite zu sichern?
Gehen wir zu den hauptsächlichen besiegten Ländern über, zu (West-)Deutschland und Japan. Diese Länder fristen jetzt unter dem Stiefel des amerikanischen Imperialismus ein elendes Dasein. Ihre Industrie und Landwirtschaft, ihr Handel, ihre Außen- und Innenpolitik, ihre ganze Lebensweise sind durch das amerikanische Besatzungsregime gefesselt. Aber diese Länder waren doch gestern noch imperialistische Großmächte, die die Grundlagen der Herrschaft Englands, der USA und Frankreichs in Europa und in Asien erschütterten. Wollte man annehmen, diese Länder würden nicht versuchen, wieder auf die Beine zu kommen, das „Regime“ der USA zu durchbrechen und auf den Weg einer selbständigen Entwicklung vorzudringen – so hieße das, an Wunder glauben.
Man sagt, dass die Gegensätze zwischen dem Kapitalismus und dem Sozialismus stärker sind als die Gegensätze zwischen den kapitalistischen Ländern. Theoretisch ist das natürlich richtig. Das ist nicht nur jetzt, in der gegenwärtigen Zeit, richtig, das war auch vor dem zweiten Weltkrieg richtig. Und dessen waren sich die Machthaber der kapitalistischen Länder mehr oder weniger bewusst. Und dennoch begann der zweite Weltkrieg nicht mit einem Krieg gegen die UdSSR, sondern mit dem Krieg zwischen den kapitalistischen Ländern. Warum? Erstens, weil ein Krieg gegen die UdSSR, als das Land des Sozialismus, für den Kapitalismus gefährlicher ist als ein Krieg zwischen den kapitalistischen Ländern, denn wenn es bei einem Krieg zwischen den kapitalistischen Ländern nur um die Frage der Vorherrschaft dieser oder jener kapitalistischen Länder über andere kapitalistische Länder geht, so muss ein Krieg gegen die UdSSR unbedingt die Frage der Existenz des Kapitalismus selbst aufwerfen. Zweitens, weil die Kapitalisten, obwohl sie zum Zwecke der „Propaganda“ über eine Aggressivität der Sowjetunion zetern, selbst nicht an solche Aggressivität glauben, da sie der Friedenspolitik der Sowjetunion Rechnung tragen und wissen, dass die Sowjetunion die kapitalistischen Länder nicht von sich aus angreifen wird.
Nach dem ersten Weltkrieg hat man ebenfalls angenommen, Deutschland sei endgültig erledigt, ebenso wie auch heute manche Genossen meinen, Japan und Deutschland seien endgültig erledigt. Damals wurde auch davon geredet und in der Presse darüber geschrieen, dass die Vereinigten Staaten von Amerika Europa auf Ration gesetzt haben, dass Deutschland nicht wieder auf die Beine kommen könne, dass es von nun an zwischen den kapitalistischen Ländern keine Kriege mehr geben könne. Doch hat sich Deutschland nach seiner Niederlage trotzdem in etwa 15-20 Jahren wiederaufgerichtet und ist als Großmacht wieder auf die Beine gekommen, nachdem es aus der Knechtschaft ausgebrochen war und den Weg einer selbständigen Entwicklung beschritten hatte. Dabei ist charakteristisch, dass niemand anders als England und die Vereinigten Staaten von Amerika Deutschland geholfen haben, sich ökonomisch aufzurichten und sein kriegswirtschaftliches Potential zu erhöhen. Natürlich verfolgten die USA und England, als sie Deutschland halfen, sich ökonomisch aufzurichten, die Absicht, Deutschland, nachdem es sich aufgerichtet hat, gegen die Sowjetunion zu lenken, es gegen das Land des Sozialismus auszuspielen. Deutschland richtete seine Kräfte jedoch in erster Linie gegen den englisch-französisch-amerikanischen Block. Und als Hitlerdeutschland der Sowjetunion den Krieg erklärte, schloss sich der englisch-französisch-amerikanische Block nicht nur nicht Hitlerdeutschland an, sondern war im Gegenteil gezwungen, eine Koalition mit der UdSSR gegen Hitlerdeutschland einzugehen.
Folglich erwiesen sich der Kampf der kapitalistischen Länder um die Märkte und der Wunsch, ihre Konkurrenten abzuwürgen, praktisch als stärker denn der Gegensatz zwischen dem Lager des Kapitalismus und dem Lager des Sozialismus.
Es fragt sich, welche Garantien gibt es, dass Deutschland und Japan nicht erneut auf die Beine kommen, dass sie nicht versuchen werden, aus der amerikanischen Knechtschaft auszubrechen und ein selbständiges Leben zu führen? Ich denke, solche Garantien gibt es nicht.
Daraus folgt aber, dass die Unvermeidlichkeit von Kriegen zwischen den kapitalistischen Ländern bestehen bleibt. Man sagt, Lenins These, dass der Imperialismus unvermeidlich Kriege hervorbringt, müsse als veraltet angesehen werden, da gegenwärtig mächtige Volkskräfte herangewachsen sind, die zur Verteidigung des Friedens, gegen einen neuen Weltkrieg auftreten. Das ist falsch.
Die gegenwärtige Friedensbewegung verfolgt das Ziel, die Volksmassen zum Kampf für die Erhaltung des Friedens, zur Verhütung eines neuen Weltkrieges zu mobilisieren. Folglich setzt sie sich nicht das Ziel, den Kapitalismus zu stürzen und den Sozialismus zu errichten – sie beschränkt sich auf die demokratischen Ziele des Kampfes für die Erhaltung des Friedens. In dieser Beziehung unterscheidet sich die gegenwärtige Bewegung für die Erhaltung des Friedens von der Bewegung während des ersten Weltkrieges für die Umwandlung des imperialistischen Krieges in den Bürgerkrieg, da diese Bewegung weiterging und sozialistische Ziele verfolgte.
Es ist möglich, dass bei einem bestimmten Zusammentreffen von Umständen der Kampf für den Frieden sich hier und da zum Kampf um den Sozialismus entwickelt, aber das wird nicht mehr die gegenwärtige Friedensbewegung sein, sondern eine Bewegung zum Sturz des Kapitalismus.
Am wahrscheinlichsten ist, dass die gegenwärtige Friedensbewegung, als Bewegung für die Erhaltung des Friedens, im Falle des Erfolges zur Verhütung eines bestimmten Krieges, zu seinem zeitweiligen Aufschub, zur zeitweiligen Erhaltung des gegebenen Friedens, zum Rücktritt einer kriegslüsternen Regierung und zu ihrer Ablösung durch eine andere Regierung führt, die bereit ist, zeitweilig den Frieden zu erhalten. Das ist natürlich gut. Das ist sogar sehr gut. Aber dennoch genügt das nicht, um die Unvermeidlichkeit von Kriegen zwischen den kapitalistischen Ländern überhaupt zu beseitigen. Es genügt nicht, da bei allen diesen Erfolgen der Friedensbewegung der Imperialismus dennoch erhalten bleibt, bestehen bleibt und folglich auch die Unvermeidlichkeit der Kriege bestehen bleibt.
Um die Unvermeidlichkeit der Kriege zu beseitigen, muss der Imperialismus vernichtet werden.

7. Die Frage der ökonomischen Grundgesetze des modernen Kapitalismus und des Sozialismus

Wie bekannt, wurde die Frage der ökonomischen Grundgesetze des Kapitalismus und des Sozialismus in der Diskussion einige Male aufgeworfen. Es wurden darüber verschiedene Meinungen    geäußert,    darunter    die    allerphantastischsten.    Die    Mehrheit    der Diskussionsteilnehmer reagierte allerdings nur schwach auf diese Frage, und in dieser Hinsicht gelangte man zu keinerlei Entscheidung. Jedoch hat kein Diskussionsteilnehmer das Bestehen solcher Gesetze in Abrede gestellt.
Besteht ein ökonomisches Grundgesetz des Kapitalismus? Ja, es besteht. Was ist das für ein Gesetz, welches sind seine charakteristischen Züge? Das ökonomische Grundgesetz des Kapitalismus ist ein Gesetz, das nicht irgendeine einzelne Seite oder irgendwelche einzelnen Prozesse der Entwicklung der kapitalistischen Produktion bestimmt, sondern alle wichtigsten Seiten und alle wichtigsten Prozesse dieser Entwicklung, folglich das Wesentliche der kapitalistischen Produktion, ihr Wesen, bestimmt.
Ist vielleicht das Wertgesetz das ökonomische Grundgesetz des Kapitalismus? Nein. Das Wertgesetz ist vor allem das Gesetz der Warenproduktion. Es bestand vor dem Kapitalismus und besteht ebenso wie die Warenproduktion nach dem Sturz des Kapitalismus, zum Beispiel in unserem Lande, weiter, wenn auch mit beschränktem Wirkungsbereich. Natürlich spielt das Wertgesetz, das unter den Bedingungen des Kapitalismus einen breiten Wirkungsbereich hat, in der Entwicklung der kapitalistischen Produktion eine große Rolle, aber es bestimmt nicht nur nicht das Wesen der kapitalistischen Produktion und die Grundlagen des kapitalistischen Profits, es wirft nicht einmal diese Probleme auf. Darum kann es nicht das ökonomische Grundgesetz des modernen Kapitalismus sein.
Aus den gleichen Erwägungen kann das Gesetz der Konkurrenz und der Anarchie der Produktion oder das Gesetz der ungleichmäßigen Entwicklung des Kapitalismus in den verschiedenen Ländern nicht das ökonomische Grundgesetz des Kapitalismus sein. Man sagt, das Gesetz der Durchschnittsprofitrate sei das ökonomische Grundgesetz des modernen Kapitalismus. Das stimmt nicht. Der moderne Kapitalismus, der monopolistische Kapitalismus kann sich mit dem Durchschnittsprofit nicht begnügen, der angesichts der Erhöhung der organischen Zusammensetzung des Kapitals noch dazu die Tendenz hat zu fallen. Der moderne monopolistische Kapitalismus fordert nicht Durchschnittsprofit, sondern ein Maximum an Profit, das nötig ist, um die erweiterte Reproduktion mehr oder weniger regulär zu verwirklichen.
Am nächsten kommt dem Begriff des ökonomischen Grundgesetzes des Kapitalismus das Gesetz des Mehrwerts, das Gesetz der Entstehung und des Anwachsens des kapitalistischen Profits. Es bestimmt tatsächlich die grundlegenden Züge der kapitalistischen Produktion. Aber das Gesetz des Mehrwerts ist ein zu allgemeines Gesetz, es berührt nicht das Problem der höchsten Profitrate, deren Sicherung die Entwicklungsbedingung des monopolistischen Kapitalismus ist. Um diese Lücke auszufüllen, muss das Gesetz des Mehrwerts konkretisiert und weiterentwickelt werden in Anwendung auf die Bedingungen des monopolistischen Kapitalismus, wobei zu berücksichtigen ist, dass der monopolistische Kapitalismus nicht irgendwelchen Profit, sondern gerade den Maximalprofit fordert. Dies ist denn auch das ökonomische Grundgesetz des modernen Kapitalismus.
Die wichtigsten Züge und Erfordernisse des ökonomischen Grundgesetzes des modernen Kapitalismus könnten etwa folgendermaßen formuliert werden: Sicherung des kapitalistischen Maximalprofits durch Ausbeutung, Ruinierung und Verelendung der Mehrheit der Bevölkerung des gegebenen Landes, durch Versklavung und systematische Ausplünderung der Völker anderer Länder, besonders der zurückgebliebenen Länder, und schließlich durch Kriege und Militarisierung der Volkswirtschaft, die der Sicherung von Höchstprofiten dienen. Man sagt, der Durchschnittsprofit könnte doch für die kapitalistische Entwicklung unter den modernen Bedingungen als völlig ausreichend betrachtet werden. Das stimmt nicht. Der Durchschnittsprofit ist die unterste Grenze der Rentabilität, unter der die kapitalistische Produktion unmöglich wird. Es wäre aber lächerlich, wollte man glauben, dass die Hauptmacher des modernen monopolistischen Kapitalismus, die Kolonien an sich reißen, Völker versklaven und Kriege anzetteln, bestrebt wären, sich nur den Durchschnittsprofit zu sichern. Nein, nicht der Durchschnittsprofit und nicht der Extraprofit, der in der Regel nur eine gewisse Erhöhung über den Durchschnittsprofit darstellt, sondern eben der Maximalprofit ist die Triebkraft des monopolistischen Kapitalismus. Gerade die Notwendigkeit, Maximalprofite zu erlangen, treibt den Monopolkapitalismus zu so riskanten Schritten wie Versklavung und systematische Ausplünderung der Kolonien und anderer rückständiger Länder, Verwandlung einer Reihe unabhängiger Länder in abhängige Länder, Organisierung neuer Kriege, die für die Hauptmacher des modernen Kapitalismus das beste „Business“ sind, um Maximalprofite herauszuholen, und schließlich wie der Versuch, die ökonomische Weltherrschaft zu erobern.
Die Bedeutung des ökonomischen Grundgesetzes des Kapitalismus besteht unter anderem darin, dass es, indem es alle wichtigsten Erscheinungen auf dem Gebiet der Entwicklung der kapitalistischen Produktionsweise, ihre Aufschwungperioden und Krisen, ihre Siege und Niederlagen, ihre Vorzüge und Mängel – den ganzen Prozess ihrer widerspruchsvollen Entwicklung – bestimmt, die Möglichkeit gibt, sie zu verstehen und zu erklären. Hier eins der zahlreichen „erstaunlichen“ Beispiele. Allen bekannt sind die Tatsachen aus der Geschichte und der Praxis des Kapitalismus, die von der stürmischen Entwicklung der Technik im Kapitalismus zeugen, wo die Kapitalisten als Bannerträger der fortschrittlichen Technik, als Revolutionäre auf dem Gebiet der Entwicklung der Produktionstechnik auftreten. Aber bekannt sind auch Tatsachen anderer Art, die davon zeugen, dass die Entwicklung der Technik im Kapitalismus aufgehalten wird, wo die Kapitalisten als Reaktionäre auf dem Gebiet der Entwicklung der neuen Technik auftreten und nicht selten zur Handarbeit übergehen.
Wodurch ist dieser schreiende Widerspruch zu erklären? Er ist nur durch das ökonomische Grundgesetz des modernen Kapitalismus zu erklären, das heißt durch die Notwendigkeit der Erzielung von Maximalprofiten. Der Kapitalismus ist für neue Technik, wenn sie ihm Höchstprofite verheißt. Der Kapitalismus ist gegen die neue Technik und für den Übergang zur Handarbeit, wenn ihm die neue Technik nicht mehr Höchstprofite verheißt.
So ist es um das ökonomische Grundgesetz des modernen Kapitalismus bestellt. Besteht ein ökonomisches Grundgesetz des Sozialismus? Ja, es besteht. Welches sind die wesentlichen Züge und Erfordernisse dieses Gesetzes? Die wesentlichen Züge und Erfordernisse des ökonomischen Grundgesetzes des Sozialismus könnten etwa folgendermaßen formuliert werden: Sicherung der maximalen Befriedigung der ständig wachsenden materiellen und kulturellen Bedürfnisse der gesamten Gesellschaft durch ununterbrochenes Wachstum und stetige Vervollkommnung der sozialistischen Produktion auf der Basis der höchstentwickelten Technik. Folglich: Statt Sicherung von Maximalprofiten – Sicherung der maximalen Befriedigung der materiellen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft; statt Entwicklung der Produktion mit Unterbrechungen von Aufschwung zu Krise und von Krise zu Aufschwung – ununterbrochenes Wachstum der Produktion; statt periodischer, von der Zerstörung der Produktivkräfte der Gesellschaft begleiteter Unterbrechungen in der Entwicklung der Technik – stetige Vervollkommnung der Produktion auf der Basis der höchstentwickelten Technik. Man sagt, das ökonomische Grundgesetz des Sozialismus sei das Gesetz der planmäßigen, proportionalen Entwicklung der Volkswirtschaft. Das stimmt nicht. Die planmäßige Entwicklung der Volkswirtschaft, und folglich auch die Planung der Volkswirtschaft, die die mehr oder weniger richtige Widerspiegelung dieses Gesetzes darstellt, können von sich aus nichts bieten, wenn nicht bekannt ist, um welcher Aufgabe willen die planmäßige Entwicklung der Volkswirtschaft erfolgt, oder wenn die Aufgabe nicht klar ist. Das Gesetz der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft kann nur in dem Fall den notwendigen Effekt zeitigen, wenn eine Aufgabe vorhanden ist, um deren Verwirklichung willen die planmäßige Entwicklung der Volkswirtschaft erfolgt. Das Gesetz der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft als solches kann diese Aufgabe nicht stellen. Umso weniger kann die Planung der Volkswirtschaft sie stellen. Diese Aufgabe ist in dem ökonomischen Grundgesetz des Sozialismus enthalten, in Gestalt seiner oben dargelegten Erfordernisse. Darum kann sich das Gesetz der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft nur in dem Fall voll auswirken, wenn es sich auf das ökonomische Grundgesetz des Sozialismus stützt. Was die Planung der Volkswirtschaft anbelangt, so kann sie nur bei Beachtung von zwei Bedingungen positive Ergebnisse erzielen: a) wenn sie die Erfordernisse des Gesetzes der planmäßigen Entwicklung der Volkswirtschaft richtig widerspiegelt, b) wenn sie sich in allem nach den Erfordernissen des ökonomischen Grundgesetzes des Sozialismus richtet.

8. Andere Fragen

1. Die Frage des außerökonomischen Zwangs im Feudalismus.
Natürlich hat der außerökonomische Zwang bei der Festigung der ökonomischen Macht der feudalen Grundherren eine Rolle gespielt, aber nicht er war die Grundlage des Feudalismus, sondern das feudale Grundeigentum.

2. Die Frage des persönlichen Eigentums des Kollektivbauernhofs.
Es wäre falsch, im Entwurf des Lehrbuchs zu sagen, „Jeder Kollektivbauernhof hat eine Kuh, Kleinvieh und Geflügel in persönlicher Nutzung“. Tatsächlich sind bekanntlich Kuh, Kleinvieh, Geflügel usw. nicht in persönlicher Nutzung, sondern persönliches Eigentum des Kollektivbauernhofs. Der Ausdruck „in persönlicher Nutzung“ ist offensichtlich dem Musterstatut des landwirtschaftlichen Artels entnommen. Aber im Musterstatut des landwirtschaftlichen Artels ist ein Fehler unterlaufen. In der Verfassung der UdSSR, die sorgfältiger ausgearbeitet wurde, wird etwas anderes gesagt, nämlich:

„Jeder Kollektivbauernhof hat … als persönliches Eigentum eine Nebenwirtschaft auf dem Hofland, ein Wohnhaus, Nutzvieh, Geflügel und landwirtschaftliches Kleininventar.“

Das ist natürlich richtig. Außerdem müsste weiter ausgeführt werden, dass jeder Kollektivbauer, je nach den örtlichen Verhältnissen, von einer bis zu soundso viel Kühen, soundso viel Schafen, Ziegen, Schweinen (ebenfalls von – bis, je nach den örtlichen Verhältnissen) und eine unbeschränkte Menge von Hausgeflügel (Enten, Gänse, Hühner, Puten) als persönliches Eigentum besitzt. Diese Einzelheiten haben große Bedeutung für unsere ausländischen Genossen, die genau wissen wollen, was eigentlich nach der Durchführung der Kollektivierung der Landwirtschaft bei uns als persönliches Eigentum im Kollektivbauernhof verblieben ist.

3. Die Frage der Höhe der Pachtzahlungen, die die Bauern an die Gutsbesitzer zu leisten hatten, sowie der Höhe der Ausgaben für den Bodenankauf. Im Entwurf des Lehrbuchs wird gesagt, dass im Ergebnis der Nationalisierung des Grund und Bodens „die Bauernschaft von Pachtzahlungen an die Gutsbesitzer in Höhe von jährlich etwa 500 Millionen Rubel befreit wurde“ (man muss sagen „Goldrubel“). Diese Zahl müsste präzisiert werden, da sie, wie mir scheint, die Pachtzahlungen nicht in ganz Rußland, sondern nur in der Mehrzahl der Gouvernements Rußlands berücksichtigt. Dabei ist zu beachten, dass in einer Reihe von Randgebieten Rußlands die Pachtzahlungen in natura geleistet wurden, was von den Autoren des Lehrbuchentwurfs offensichtlich nicht berücksichtigt worden ist. Außerdem ist zu beachten, dass die Bauernschaft nicht nur von den Pachtzahlungen befreit wurde, sondern auch von den jährlichen Ausgaben für den Bodenankauf. Ist dies im Entwurf des Lehrbuchs berücksichtigt worden? Mir scheint, es ist nicht berücksichtigt worden, müsste aber berücksichtigt werden.

4. Die Frage des Zusammenwachsens der Monopole mit dem Staatsapparat. Der Ausdruck „Zusammenwachsen“ passt nicht. Dieser Ausdruck stellt oberflächlich und beschreibend die Annäherung der Monopole und des Staates fest, deckt aber nicht den ökonomischen Sinn dieser Annäherung auf. Es ist so, dass der Prozess dieser Annäherung nicht einfach zum Zusammenwachsen führt, sondern zur Unterordnung des Staatsapparats unter die Monopole. Darum sollte man auf das Wort „Zusammenwachsen“ verzichten und es durch die Worte „Unterordnung des Staatsapparats unter die Monopole“ ersetzen.

5. Die Frage der Anwendung von Maschinen in der UdSSR. Im Entwurf des Lehrbuchs wird gesagt, dass „in der UdSSR Maschinen in allen Fällen angewandt werden, wo sie der Gesellschaft Arbeit ersparen“. Das ist ganz und gar nicht das, was gesagt werden müsste. Erstens ersparen die Maschinen in der UdSSR der Gesellschaft immer Arbeit, so dass wir keine Fälle kennen, wo sie unter den Verhältnissen der UdSSR der Gesellschaft keine Arbeit ersparten. Zweitens ersparen die Maschinen nicht nur Arbeit, sondern erleichtern zugleich die Arbeit der Arbeiter, so dass die Arbeiter unter unseren Verhältnissen, im Gegensatz zu den Verhältnissen im Kapitalismus, sehr gern Maschinen im Arbeitsprozess anwenden. Darum müsste gesagt werden, dass nirgends so gern Maschinen angewandt werden wie in der UdSSR, denn die Maschinen ersparen der Gesellschaft Arbeit und erleichtern die Arbeit des Arbeiters, und da es in der UdSSR keine Arbeitslosigkeit gibt, wenden die Arbeiter sehr gern Maschinen in der Volkswirtschaft an.

6. Die Frage der materiellen Lage der Arbeiterklasse in den kapitalistischen Ländern. Wenn über die materielle Lage der Arbeiterklasse gesprochen wird, hat man gewöhnlich die in der Produktion beschäftigten Arbeiter im Auge und läßt die materielle Lage der so genannten Reservearmee von Arbeitslosen außer acht. Ist es richtig, an die Frage der materiellen Lage der Arbeiterklasse so heranzugehen? Ich denke, das ist nicht richtig. Wenn die Reservearmee von Arbeitslosen existiert, deren Angehörige von nichts anderem leben als vom Verkauf ihrer Arbeitskraft, dann gehören die Arbeitslosen natürlich zum Bestand der Arbeiterklasse, wenn sie aber zum Bestand der Arbeiterklasse gehören, dann kann ihre elende Lage nicht ohne Einfluss auf die materielle Lage der in der Produktion beschäftigten Arbeiter bleiben. Darum meine ich, dass bei einer Charakteristik der materiellen Lage der Arbeiterklasse in den kapitalistischen Ländern auch die Lage der Reservearmee der arbeitslosen Arbeiter berücksichtigt werden müsste.

7. Die Frage des Nationaleinkommens. Ich denke, in den Entwurf des Lehrbuchs müsste unbedingt ein neues Kapitel über das Nationaleinkommen aufgenommen werden.

8. Die Frage eines besonderen Kapitels im Lehrbuch über Lenin und Stalin als Begründer der politischen Ökonomie des Sozialismus. Ich denke, das Kapitel „Die marxistische Lehre vom Sozialismus. Die Schaffung der politischen Ökonomie des Sozialismus durch W. I. Lenin und J. W. Stalin“ soll aus dem Lehrbuch herausgenommen werden. Es ist im Lehrbuch keineswegs nötig, da es nichts Neues bietet und nur das farblos wiederholt, was in den vorhergehenden Kapiteln des Lehrbuchs ausführlicher gesagt wurde. Was die übrigen Fragen betrifft, so habe ich zu den „Vorschlägen“ der Genossen Ostrowitjanow, Leontjew, Schepilow, Gatowski und anderer keinerlei Bemerkungen.

9. Die internationale Bedeutung eines marxistischen Lehrbuchs der politischen Ökonomie

Ich denke, dass die Genossen die ganze Bedeutung eines marxistischen Lehrbuchs der politischen Ökonomie nicht erfassen. Das Lehrbuch braucht nicht nur unsere Sowjetjugend. Besonders brauchen es die Kommunisten aller Länder und die mit den Kommunisten sympathisierenden Menschen. Unsere ausländischen Genossen wollen wissen, wie wir uns von der kapitalistischen Knechtschaft befreit haben, wie wir die Ökonomik des Landes im Geiste des Sozialismus umgestaltet haben, wie wir die Freundschaft mit der Bauernschaft erlangt haben, wie wir es erreicht haben, dass sich unser unlängst noch armes und schwaches Land in ein reiches, mächtiges Land verwandelt hat, was die Kollektivwirtschaften darstellen, warum wir trotz der Vergesellschaftung der Produktionsmittel die Warenproduktion, das Geld, den Handel usw. nicht abschaffen. Sie wollen all dies und vieles andere nicht aus bloßer Neugier wissen, sondern, um bei uns zu lernen und unsere Erfahrungen für ihr Land auszunutzen. Darum hat das Erscheinen eines guten marxistischen Lehrbuchs der politischen Ökonomie nicht nur innerpolitische, sondern auch große internationale Bedeutung.
Folglich wird ein Lehrbuch gebraucht, das als Handbuch der revolutionären Jugend nicht nur innerhalb des Landes, sondern auch im Ausland dienen kann. Es darf nicht zu umfangreich sein, da ein zu umfangreiches Lehrbuch kein Handbuch sein kann und schwer zu meistern, zu bewältigen sein wird. Aber es muss alles Grundlegende enthalten, was sowohl die Ökonomik unseres Landes als auch die Ökonomik des Kapitalismus und des Kolonialsystems betrifft.
Manche Genossen haben in der Diskussion vorgeschlagen, in das Lehrbuch eine ganze Reihe neuer Kapitel aufzunehmen, Historiker – über Geschichte, Politiker – über Politik, Philosophen – über Philosophie, Wirtschaftswissenschaftler – über Wirtschaft. Aber das würde dazu führen, dass das Lehrbuch zu ungeheurem Umfang anschwellen würde. Das darf natürlich nicht zugelassen werden. Das Lehrbuch benutzt die historische Methode zur Illustration der Probleme der politischen Ökonomie, aber das bedeutet noch nicht, dass wir das Lehrbuch der politischen Ökonomie in eine Geschichte der ökonomischen Beziehungen verwandeln sollen.
Wir brauchen ein Lehrbuch von 500, Maximum 600 Seiten, nicht mehr. Das wird ein Handbuch der marxistischen politischen Ökonomie sein – ein schönes Geschenk für die jungen Kommunisten aller Länder. Übrigens könnte ein solches Lehrbuch im Hinblick auf das ungenügende Niveau der marxistischen Entwicklung der meisten kommunistischen Parteien des Auslands auch den älteren Kadern der Kommunisten dieser Länder von großem Nutzen sein.

10. Wege zur Verbesserung des Entwurfs des Lehrbuchs der politischen Ökonomie

Manche Genossen haben den Entwurf des Lehrbuchs während der Diskussion übereifrig „verrissen“, seine Autoren wegen Fehler und Lücken gescholten und behauptet, der Entwurf sei nicht gelungen. Das ist ungerecht. Natürlich gibt es in dem Lehrbuch Fehler und Lücken – die gibt es fast bei jedem großen Werk. Aber wie dem auch sei, die überwiegende Mehrheit der Diskussionsteilnehmer hat trotzdem anerkannt, dass der Entwurf des Lehrbuchs als Grundlage des künftigen Lehrbuchs dienen kann und nur einiger Berichtigungen und Ergänzungen bedarf. Man braucht in der Tat den Entwurf des Lehrbuchs nur mit den im Gebrauch befindlichen Lehrbüchern der politischen Ökonomie zu vergleichen, um zu dem Schluss zu kommen, dass der Lehrbuchentwurf die vorhandenen Lehrbücher um Haupteslänge überragt. Das ist ein großes Verdienst der Verfasser des Lehrbuchentwurfs.
Ich denke, zur Verbesserung des Lehrbuchentwurfs müsste eine zahlenmäßig nicht große Kommission gebildet werden, der nicht nur die Verfasser des Lehrbuchs und nicht nur Anhänger derjenigen, die unter den Diskussionsteilnehmern die Mehrheit bildeten, sondern auch Gegner dieser Mehrheit, heftige Kritiker des Lehrbuchentwurfs, angehören sollen.
Es wäre auch gut, einen erfahrenen Statistiker zur Überprüfung der Zahlen und zur Ergänzung des Entwurfs mit neuem statistischem Material sowie einen erfahrenen Juristen zur Überprüfung der Genauigkeit der Formulierungen in die Kommission aufzunehmen. Die Mitglieder der Kommission müssten zeitweilig von jeder anderen Arbeit befreit werden und materiell so gut gestellt werden, dass sie sich ganz der Arbeit am Lehrbuch widmen können.
Außerdem sollte man eine Redaktionskommission, etwa aus drei Personen bestehend, zur endgültigen Redaktion des Lehrbuchs ernennen. Das ist auch notwendig, um die Einheitlichkeit des Stils zu erzielen, die dem Lehrbuchentwurf leider fehlt. Frist für die Vorlage des fertigen Lehrbuchs beim ZK – ein Jahr.

J. Stalin 1952, 1. Februar
Stalinwerke Band 15, sie auch http://www.stalinwerke.de/

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