Schlussfolgerungen aus den Wahlkämpfen des 6. Mai und des 17. Juni 2012


Am 9. Juli 2012 beriet das Zentralkomitee der KKE, um aus den Wahlkämpfen Schlussfolgerungen zu ziehen und die unmittelbaren Aufgaben der Partei zu besprechen. Das ZK hat die Diskussionen in den Organen und den Basisorganisationen der Partei sowie in Treffen mit Freunden und Sympathisanten der Partei, die Bemerkungen, Hinweise und Vorschläge gemacht haben, sowie die Schlussfolgerungen der Basisorganisationen der KNE berücksichtigt. Die Schlussfolgerungen des ZK werden den Basisorganisationen der Partei und des Jugendverbandes zur Diskussion und Bestätigung vorgelegt. Die bisherige Diskussion in der Partei und der KNE sowie mit Freunden und Sympathisanten hat gezeigt, dass es trotz der Verluste und des negativen Kräfteverhältnisses eine Bereitschaft gibt, beharrlich und entschieden in die Bewegung und die Entwicklungen einzugreifen, den komplexen und steigenden Ansprüchen und Bedürfnissen des Volkes gerecht zu werden, zur Stärkung der Organisationen der Partei und der KNE beizutragen. Das ZK veröffentlicht folgende Einschätzungen:

Beschluss des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei Griechenlands:

Schlussfolgerungen aus den Wahlkämpfen des 6. Mai und des 17. Juni 2012


I

Die zwei Wahlgänge, die mit einem Abstand von anderthalb Monaten (6. Mai bis 17. Juni) zustande kamen, weisen sowohl gemeinsame Merkmale als auch bestimmte Unterschiede auf, die die Wahlkriterien zwischen der ersten und der zweiten Runde beeinflussten. Beide Wahlen wurden unter den Bedingungen einer lang anhaltenden kapitalistischen Wirtschaftskrise durchgeführt, die zu einer Verschärfung der Staatsschulden geführt hat. Die Verwaltung der Staatsschulden führte zum 1. Memorandum, das eine interne Abwertung des Wertes der Arbeitskraft zum Ziel hatte. Darauf folgte das 2. Memorandum als Begleitung der Kreditvereinbarung, das einen neuen Schuldenschnitt und eine neue Welle der Verbilligung der Arbeitskraft brachte. Gleichzeitig wurde von offizieller Seite die Möglichkeit einer kontrollierten oder unkontrollierten Insolvenz unter den Bedingungen einer erneuten Verschärfung der Krise in der Eurozone vorgebracht. All dies sowie die starke Aggressivität des Kapitals mit dem Ziel, die Arbeitsbeziehungen in ihrer Gesamtheit zu kippen, und schließlich das Anschwellen der Arbeitslosigkeit haben auch das Wahlverhalten beeinflusst. Die Kämpfe der Arbeiterklasse und des Volkes, die während der Krise ausbrachen und eskalierten, haben ein Klima von Wut und Unzufriedenheit im Volk hervorgerufen, das sich sowohl gegen die PASOK als auch gegen die Nea Dimokratia (ND) richtete. Gleichzeitig hat allerdings das System mit Provokationen und Verwirrungstaktiken interveniert, um den Widerstand des Volkes zu schwächen, ihn von radikalen Zielen abzulenken.

Bei der Mai-Wahl kam es zu einem beispiellosen Zusammenbruch der Prozentsätze sowohl der PASOK als auch der ND, während der dritte Koalitionspartner der vormaligen Dreiparteienregierung – LAOS – den Einzug ins Parlament verfehlte. Die KKE konnte einen kleinen Zuwachs verbuchen, aber in den großen urbanen Zentren kam es auch zu sichtbaren Wählerwanderungen hin zum SYRIZA. Gleichzeitig hat die Partei es geschafft, Wählerstimmen von anderen Parteien, vor allem der PASOK und ND zu gewinnen. Die große Mehrheit der Wähler der beiden bürgerlichen Parteien verstreute ihre Stimme vor allem an ideologisch benachbarte politische Kräfte, die untereinander in der Verurteilung des Memorandums übereinstimmten, das sie als Ursache der Krise und ihrer Verschärfung darstellten. Von einem großen Anteil der Unzufriedenheit mit der PASOK und der ND hat SYRIZA profitiert, der von der Bildung einer Linksregierung sprach, sowie die neuen Parteien, die sich aus abgesprungenen Parlamentariern der ND und des SYRIZA formierten, also die „Unabhängigen Griechen“ und die DIMAR. Zum ersten Mal ist die faschistische, antikommunistische „Chrysi Avgi“ (Goldene Morgendämmerung) ins Parlament eingezogen und das mit einem bedeutenden Stimmenanteil.

In der zweiten Wahl wurden die ND und der SYRIZA gestärkt, während die KKE große Verluste hinnehmen musste: sie verlor 48,3% ihrer Stimmen vom 6. Mai, wobei verschiedenen Messungen zufolge wanderten in der Haupttendenz ca. 55 % der Wählerstimmen zum SYRIZA und 38 % zu den Nichtwählern. Alle anderen Parteien erlitten ebenfalls Verluste, mit Ausnahme der DIMAR und „Chrysi Avgi”. In der zweiten Wahl wurde die Notwendigkeit einer Regierungsbildung, entweder um die ND oder um den SYRIZA, zum grundlegenden Kriterium der Stimmabgabe gemacht, wohingegen die Haltung zum Memorandum als Kriterium an Bedeutung einbüßte. Anstelle der Abschaffung des Memorandums wurde seine Neuverhandlung gefordert, die man um jeden Preis mit dem Verbleib Griechenlands in der Eurozone und der EU verbinden wollte. Während sich in den Mai-Wahlen bis zu einem gewissen Grad die positive Tendenz der Abkehr von ND und PASOK und ein klarer Gegensatz zum Memorandum und den Entscheidungen der EU ausdrückte, kam es in der zweiten Wahl unter dem Eindruck einer ganzen Lawine einschüchternder Erpressungen sowie der Erwartung einer sofortigen Erleichterung durch eine linke oder Mitte-links-Regierung zu einem Rückzug.

Die offenkundigsten negativen Merkmale sind der große Stimmenrückgang der KKE, die Stärkung der ND und des SYRIZA und die Konsolidierung der „Chrysi Avgi“. Es kam zu einer Stärkung des SYRIZA, obwohl seine auf Verwaltung des kapitalistischen Systems ausgerichtete Logik entlarvt wurde. Das von ihm vorgestellte Regierungsprogramm nahm selbst die radikalen Phrasen zurück, die es vor dem 6. Mai noch beinhaltet hatte. Unter diesen Bedingungen wurde mehr als bei allen vorherigen Wahlen ein systematischer und durchdachter ideologisch-politischer Angriff gegen die KKE geführt, der den Erfordernissen einer Neuformierung des bürgerlichen politischen Systems angepasst war. Es ging dabei zudem um eine Umlenkung der Unzufriedenheit des Volkes in für das System ungefährliche Bahnen, um die Dämpfung der Dynamik des Klassenkampfes und der organisierten Arbeiterbewegung.

Das ZK stellt ein starkes Defizit in der Arbeit der Partei mit ihrem Umfeld, ihren Freunden und Sympathisanten fest, bezüglich der Erklärung unserer Standpunkte zum Charakter der bürgerlichen Parlamentswahlen und der Bildung einer Regierung im Rahmen des Systems. Die Standpunkte der Partei zu den Wahlen stehen in keiner Weise im Widerspruch zur Notwendigkeit, die KKE auch im bürgerlichen Parlament als Kraft der Arbeiter- und Volksopposition zu stärken. Es wäre allerdings ein Trugschluss, die Wahlen für den allerwichtigsten Kampf zu halten und sie getrennt von der Entwicklung des Klassenkampfes zu betrachten.

II

Die Kämpfe, die sich mit dem Ausbruch und der Vertiefung der Krise entfaltet haben, führten trotz ihres zunehmenden Massencharakters, trotz der Dynamik der verschiedenen Kampfformen (mehr als dreißig Streiks, Massendemonstrationen, Besetzungen, Weigerungen, die Sondersteuern und Mauten zu zahlen usw.) nicht dazu, dass sich die arbeitenden Menschen über den Charakter der Krise bewusst geworden wären oder den politischen Ausweg aus ihr akzeptieren würden. Dieser Ausweg besteht in der Konfrontation mit der EU, der einseitigen Streichung der Schulden und der Vergesellschaftung der konzentrierten Produktionsmittel. Die Kämpfe schafften es nicht, den volksfeindlichen Maßnahmen Einhalt zu gebieten. Sie wurden nicht von einer massenhaften Stärkung der Gewerkschaftsorganisationen der Arbeiter und Angestellten, der Selbstständigen in der Stadt und auf dem Land, von tiefgreifenden Veränderungen des Kräftegleichgewichts, einer aufsteigenden Jugendbewegung und zunehmendem Massencharakter der besonderen Organisationsformen der Frauen begleitet. Die massenhafte Ablehnung der ND und PASOK und die Tatsache, dass sich die arbeitenden Menschen und die jüngeren Generationen von ihnen abwandten, bezog sich vor allem auf Fragen der Systemverwaltung, ohne dass dem ein tieferes Verständnis des Klassencharakters dieser Parteien, der Politik der Monopole oder des imperialistischen Charakters der EU zugrunde gelegen hätte. Diese Ablehnung ging einher mit einem Herunterschrauben der Ansprüche und Forderungen. Es ist aus der Geschichte ähnlicher Umstände bekannt – und daran haben wir seit Anfang des Jahres 2010 erinnert – dass es unter Krisenbedingungen zwei mögliche Entwicklungsvarianten gibt: Dass die Bewegung geschlagen wird und sich zurückzieht oder dass sie ernsthafte Schritte in Richtung des Gegenangriffs, des politischen Bruchs und der Konfrontation mit den Monopolen und bürgerlichen Parteien unternimmt. Zum Massencharakter der Kämpfe trug auch der Zustrom neuer Teile der Arbeiterklasse und der Mittelschichten bei, die nicht über das erforderliche Maß an politischer Erfahrung verfügten, vom Verlangen nach einer anderen Systemverwaltung beherrscht waren, die angeblich den Niedergang aufhalten und Lösungen im Hier und Jetzt für ihre verschärften Probleme bringen sollte. Der Gegensatz zu den Entscheidungen der EU und den Memoranda ging nicht einher mit einem Verständnis davon, dass diese die Interessen der Bourgeoisie des Landes ausdrücken. Das Problem der kapitalistischen Krise und der Memoranda wurde in der Eigennützigkeit, der Unfähigkeit und Fremdbestimmung des bürgerlichen politischen Personals bei der Verwaltung des Systems und den Verhandlungen mit den Gläubigern gesehen. Auf dieser Basis konnten SYRIZA, die „Unabhängigen Griechen“, aber auch die „Chrysi Avgi“ ihre oberflächliche „Anti-Memorandum“-Logik verbreiten. Dabei spielte die reformistische und opportunistische Strömung, die unter den Arbeitern und Angestellten mit bisher sicheren Arbeitsverhältnissen, relativ besseren Löhnen und Versorgungslage vergleichsweise einflussreich ist, eine besonders negative Rolle. Die Illusion, dass es eine sofortige und unmittelbare Lösung geben könnte, ohne zuvor den Kampf gegen das Kapital und die EU aufzunehmen, hat sich auch in der Arbeiterklasse im privaten Sektor, die einen steilen Anstieg der relativen und absoluten Verelendung, der Arbeitslosigkeit und Unsicherheit erfahren musste, breitgemacht. Dieser Zeitraum muss in besonderem Maße untersucht werden, damit die Schlussfolgerungen daraus für den ideologisch-politischen Kampf, die Verankerung der Partei in der Arbeiterklasse und den Volksschichten vervollständigt werden können. Diese Untersuchung muss mit der Ausarbeitung der Thesen für den 19. Parteitag verbunden werden.

Die verschiedenen Teile der Bourgeoisie versuchen mithilfe ihrer besonderen Einflussgruppen innerhalb der ND und der PASOK, aber auch des Staatsapparats, die bürgerliche politische Bühne umzuformen, da sie sahen, dass die beiden bürgerlichen Parteien nicht in der Lage waren, den Volkszorn und die Unzufriedenheit zu kontrollieren und daher die Gefahr eines instabilen bürgerlichen politischen Systems unter den Bedingungen einer sich vertiefenden Krise bestand. Unter diesen Umständen und sicherlich unter dem Druck der Kämpfe und des allgemeinen Volkszorns kam es zu neuartigen Erscheinungen (neuartig im Vergleich zu der gesamten Periode seit dem Ende der Militärdiktatur), wie dem Überlaufen von 60 Abgeordneten zu anderen Parteien, dem Sturz von G. Papandreou und der Koalitionsregierung von ND und PASOK mit L. Papadimos als Premierminister, die anfangs auch auf die Teilnahme der LAOS zählen konnte. Das Parlament von 2009, das anfangs fünf Parteien zählte, bestand am Ende der Legislaturperiode aus neun Parteien und politischen Gebilden. Auf dieser Basis haben sich am 6. Mai zwei Pole gebildet: Das Mitte-rechts-Spektrum mit der ND als Hauptkraft und das Mitte-links-Spektrum um den SYRIZA, die beide das Wahlergebnis vom 17. Juni geprägt haben. Der Pol um den SYRIZA wurde durch organisiertes und massenhaftes Überlaufen von Organisationen der PASOK, vor allem auch eines großen Teils der Funktionäre im öffentlichen Sektor, des Bankensektors und des Staatsapparats gestärkt. Auch ein Teil der lokalen Gliederungen der PASOK lief zum SYRIZA über. Dies wurde natürlich erleichtert durch die Enttäuschung und Unzufriedenheit, durch den Anklang der Thesen des Opportunismus bei den oberen Schichten der Angestellten. Die Bourgeoisie des Landes legte den Schwerpunkt ihres Strebens auf die Wiederherstellung der Sozialdemokratie, die ihr Hauptwerkzeug darstellt, um die Vorherrschaft des Reformismus in der Arbeiterbewegung zu sichern. So wurde der Boden für die Bildung eines neuen Parlaments und einer Regierung geschaffen, obwohl die beiden traditionellen bürgerlichen Parteien nicht zur alleinigen Regierungsbildung in der Lage waren.

Während des zweiten Wahlkampfs kam es zu einer offenen Einmischung der Kommission, der USA, des IWF, der OECD und der internationalen Medien, um das in Fragestellen des Memorandums und der Kreditvereinbarung zu einem Zeitpunkt zu verhindern, wo sich gleichzeitig in Spanien die Krise verschärfte und man erwartete, dass sowohl Spanien als auch andere Länder, z.B. Italien und Zypern, Kredite von der EU und dem IWF anfragen würden. Diese Einmischung geschah unter Bedingungen einer Verschärfung der Widersprüche und der Konkurrenz zwischen den Führungskräften innerhalb der EU, aber auch die allgemeineren Widersprüche der EU mit den USA, China, Russland und den anderen aufsteigenden Mächten der kapitalistischen Weltwirtschaft. Der griechische Staat und die Parteien der „EU-Einbahnstraße“ hängen an den verschiedenen Entwicklungsoptionen der Eurozone und der EU und den verschiedenen Versionen der Austeritätspolitik, während ihr Ziel offensichtlich darin besteht, jede nTendenz zur Emanzipation der Massen zu verhindern und ein neues Zweiparteiensystem aus ND und SYRIZA aufzubauen. Die Juni-Wahlen wurden als Experiment und als Instrument im Rahmen der innerimperialistischen Differenzen benutzt: Es ging darum, wie der Schaden, der durch die Verschärfung und Vertiefung der Krise entsteht, verteilt wird und wie es in der Eurozone weitergeht. Die Anti-Merkel-Rhetorik des SYRIZA wurde auch von Kräften der USA und Großbritanniens und einigen der europäischen Konkurrenten Deutschlands benutzt, die danach streben, Deutschlands Macht innerhalb der Eurozone zu begrenzen. Gleichzeitig passte dies auch der ND, der PASOK und der DIMAR ins Konzept, die mit dem Risiko eines Rauswurfs Griechenlands aus der Eurozone Angst machten. Diese Einmischung wurde zu einer unerhörten Manipulation der Wähler und beruhte auf Argumenten wie der Gefahr eines Euro-Rauswurfs und der Unregierbarkeit des Landes.

III

Das ZK wertet jedes Wahlergebnis aus, gleich ob es positiv oder – wie das vom 17. Juni – negativ ist. Es berücksichtigt dabei die objektiven Bedingungen des Wahlablaufs und ihre Wechselbeziehung zu der Aktivität und zum Handeln des subjektiven Faktors. Das Verhältnis von objektiven und subjektiven Faktoren muss beachtet werden, weil wir nur so in der Lage sind, im konkreten Fall die eigenen subjektiven Schwächen und Fehler zu erkennen, um die Fähigkeit zur Umsetzung der Strategie der Partei unter allen Bedingungen, den günstigen wie den ungünstigen, zu erwerben.

Die Breite und die Beständigkeit der Stärke der Partei bei den Wahlen werden vom Niveau des Klassenkampfes bestimmt. Das Niveau des Klassenkampfes hängt seinerseits ab von der Wechselwirkung der Tätigkeit des subjektiven mit den objektiven und bestimmenden Faktoren, nämlich den Entwicklungen der kapitalistischen Wirtschaft, der Klassenstruktur usw.

Daraus folgt, dass für eine selbstkritische Herangehensweise des ZK an die Aktivitäten der Partei allgemein und in der Wahlkampfperiode im Besonderen folgende Kriterien gelten:

Erstens, ob unsere Tätigkeit alle Möglichkeiten, die aus der objektiven Situation entstanden sind, genutzt hat, um den Klassenkampf zu vertiefen, um das Umfeld der Partei zu verbreitern, die Zustimmung zur Strategie der Partei und die Bereitschaft zu ihrer Unterstützung unter allen Umständen zu vergrößern.

Zweitens, ob während des Wahlkampfs unsere Handlungen und Aktionen dazu beigetragen haben, die positiven Tendenzen der Wähler zu fördern und die negativen abzuschwächen – Tendenzen, die allgemein vom Niveau des Klassenkampfes bestimmt werden.

Konkret geht es um folgende Punkte:

Der Wahlkampf zeigte die langjährigen Schwächen und Versäumnisse in unserer Arbeit auf, damit alle Möglichkeiten, die sich aus den objektiven Entwicklungen ergeben, voll genutzt werden. Diese Arbeit betrifft den Wiederaufbau der Arbeiterbewegung, die Stärkung des gesellschaftlichen Bündnisses und den Parteiaufbau in einer Situation, in der die Organisierung der Massen nur schwer voranschreitet. Diese Aufgaben erfordern natürlich Zeit, geduldige Anstrengungen und eine beharrliche und ausgearbeitete Ausrichtung. Letzten Endes liegt die Verantwortung dafür zuallererst beim ZK, außerdem bei den leitenden Organen, bei jeder Basisorganisation der Partei. Es geht darum, wie wir unser Handeln in den Massen mit unseren Positionen, mit Kampfkraft und der Fähigkeit zur Ansammlung von Kräften mit unterschiedlichen Vorstellungen, Erfahrungen und Handlungsbereitschaft entwickeln können.

Das ZK muss seine Arbeit auf der Grundlage von Analysen und den oben genannten Aufgaben auswerten und konkret untersuchen, wie es seit dem 18. Parteitag gearbeitet hat und die Schlussfolgerungen in die selbstkritische Betrachtung seiner Tätigkeit angesichts des 19. Parteitages einfließen.

Das ZK konnte nicht auf der Basis der Erfordernisse und der bisherigen eigenen Feststellungen praktisch die gesamte Partei auf die jüngeren Generationen orientieren, wobei natürlich die Klassenzugehörigkeit als Kriterium zu berücksichtigen ist. Diese Altersgruppen wurden geprägt durch die weltweite Niederlage der Arbeiterbewegung, die tiefe Krise der kommunistischen Bewegung und den Versuch, die kommunistische Bewegung durch eine sozialdemokratische und opportunistische linke Bewegung zu ersetzen, die eine Beteiligung an der bürgerlichen Systemverwaltung einfordert.

Das ZK vermochte nicht die Arbeit der ganzen Partei mit der Unterstützung der KNE zu verbinden, insbesondere in den Bildungseinrichtungen, wo die ideologische Offensive gut ausgearbeitet ist und einen ernsthaften Einfluss ausübt.

Diese Faktoren und weitere, die in der Diskussion noch herauszuarbeiten sind, werden in die Einschätzung der Arbeit des ZK in der Periode vor dem Parteitag einfließen. Es hat sich gezeigt, dass der Aufbau engerer ideologisch-politischer Verbindungen zu den Freunden und Sympathisanten der Partei als permanentes Element in unserer Arbeit unabdingbar ist und nicht nur zu Zeiten sich ansteigender Kämpfe. Es reicht nicht aus, die ideologisch-politische Diskussion auf die jeweils aktuellen Themen zu beschränken. Ein wichtiger Teil der Sympathisanten kennt nicht die Positionen der Partei z.B. zu Regierungen innerhalb des kapitalistischen Systems, zu den Entwicklungen in der EU, zur Frage des Zusammenhangs von Ökonomie und Politik, zum Charakter der kapitalistischen Wirtschaftskrise, zum Inhalt der Volksmacht. Dies setzt voraus, dass die Mitglieder der Partei dabei unterstützt werden, ihre Fähigkeiten zur besseren Vermittlung der Positionen und der Strategie der Partei im Volk auszubauen.

Das ZK und insbesondere das Politbüro konnten den propagandistischen Erfordernissen nur schwach entgegenkommen, damit das Klassenbewusstsein in für das System ungefährliche Bahnen durch die vielfältigen Mechanismen der Manipulation und Beeinflussung nicht gelenkt wird. Die Propaganda der Partei ist nicht lebendig und angereichert mit Beispielen und Aspekten aus der sich entwickelnden Bewegung, aus den verschiedenen Lebensbereichen. Unsere Propaganda ist nicht so, dass sie für das Volk leicht verständlich wäre. Das Thema der Propaganda ist keine Frage einer allgemeinen „Kommunikationspolitik“ und erschöpft sich nicht darin, wie im Fernsehen die Debatten geführt werden. Die Selbstkritik des ZK zur Propaganda bezieht sich auf Formen einer lebendigen Propaganda, die den Dialog und die Teilnahme erleichtern und nicht auf das passive Verfolgen der Fernsehsendungen, in denen die Vielfalt unserer Thesen und Kriterien nicht zum Ausdruck kommen kann. Die Rolle des Internets wurde sowohl als Informationsquelle der Jugend als auch als Instrument, um die Partei anzugreifen, unterschätzt.

IV

Das ZK kommt zu der Einschätzung, dass die allgemeine politische Linie des Wahlkampfes dem Charakter der Krise und dem notwendigen Ausweg für das Volk angesichts der neuen Maßnahmen entsprach, unabhängig davon, zu welcher Handhabung sich die neue Regierung nach den Wahlen entschließen würde. Das Problem bestand darin, dass das ZK nicht rechtzeitig den Umfang der Verluste der zwei großen Parteien, insbesondere den Einbruch der PASOK sowie die Stärkung des SYRIZA und den Plan eines Angriffs auf die Partei erkannt hat. Zuvor war festgestellt worden, dass PASOK Einfluss an die DIMAR verlor, was aber das Wählerpotenzial der KKE nicht beeinträchtigte, wie in den Umfragen deutlich wurde. Fünfzehn Tage vor der Wahl wurde die plötzliche Hinwendung zum SYRIZA zu Lasten der PASOK und der DIMAR und auch unserer Partei sichtbar. Trotz der Versuche, die Verluste zu verorten, wurden ihre Ausmaße von den Einschätzungen der lokalen Parteiorganisationen zu diesem Zeitpunkt nicht bestätigt.

Im Wesentlichen geht es darum, dass das ZK seine Aufmerksamkeit nicht darauf konzentrierte, dass anders als bei allen bisherigen Wahlen zum ersten Mal das Volk vor die Wahl gestellt wurde, zwischen einer Regierung der ND oder der PASOK einerseits oder einer sogenannten „linken Koalitionsregierung“ unter Einschluss von DIMAR und KKE andrerseits zu wählen, wobei letztere Option sich auf das von SYRIZA vorgebrachte verlogene Argument der 50 Bonussitze stützte. Das ZK erkannte die besondere Härte und Komplexität des Wahlkampfes vor allem nach dem 6. Mai und nicht davor und formulierte auch deshalb die These, dass es sich um den schwierigsten Wahlkampf der letzten 40 Jahre handelte.

Wir schlussfolgern, dass das ZK den Rahmen für den ersten Wahlkampf im selben Geist hätte festlegen müssen, wie es sofort nach den Wahlen am 6. Mai geschah. Es hätte also der Illusion der „linken Regierung“ die Ausarbeitung und Formulierung geeigneter Losungen entgegnen müssen. Das ZK versäumte es, rechtzeitig den SYRIZA als neuen politischen Träger der Sozialdemokratie zu entlarven, der systematisch in das Umfeld der Wählerinnen und Wähler der KKE hineinzuwirken versuchte. Das ZK hat nicht rechtzeitig darauf geantwortet, wie die KKE zur Frage einer Regierung der Volksmacht steht und wie und unter welchen Voraussetzungen der politische Kampf an einen solchen Punkt kommen kann. So hätte dem Volk verständlich werden können, warum die KKE sich nicht an einer Regierung der bürgerlichen Krisenverwaltung, einer Regierung im Rahmen des Systems, also auf dem Boden des Kapitalismus, beteiligt. Die Position der KKE zur Regierung der Volksmacht hätte rechtzeitig, auf breiter Basis und offensiv propagiert werden müssen, um das irreführende, hinterlistige und systematisch verbreitete Argument, dass die KKE keine Regierungsverantwortung übernehmen wolle, nicht unbeantwortet zu lassen. Das ZK hat während des ersten Wahlkampfs nicht davor gewarnt, dass die Partei Gefahr läuft, Verluste zu erleiden und dass vonseiten des Systems methodisch und zielgerichtet versucht wird, die Partei zu schwächen. Es hat nicht im erforderlichen Maße zur Wachsamkeit der Parteimitglieder und des Umfelds der Partei beigetragen. Damit ist natürlich nicht gesagt, dass wenn die Partei schon im ersten Wahlkampf eine zielgerichtete Taktik verfolgt hätte, es möglich gewesen wäre, die reformistische Strömung für eine Regierung der Krisenverwaltung entscheidend zu umkehren. Die Entwicklung dieser Strömung hatte eine objektive Basis, weil sie mit den Erfordernissen der bürgerlichen Klassenherrschaft übereinstimmt. Es ist aber sehr wahrscheinlich, dass die Partei geringere Verluste gehabt hätte, vor allem hätte man so das Klima der Enttäuschung verhindern können, das das Wahlergebnis vor allem unter den Freunden und Sympathisanten der Partei zu Recht geschaffen hat.

Bestimmte Freunde und Sympathisanten der Partei, aber auch ein kleiner Teil der Parteimitglieder haben darauf hingewiesen, dass die Partei während der Sondierungsgespräche zur Regierungsbildung dem SYRIZA ein Koalitionsangebot hätte unterbreiten können, das er dann ablehnen würde, weil es die Loslösung aus der EU, die einseitige Schuldenstreichung und den Bruch mit den Entscheidungen der EU und den Monopolen beinhaltet hätte. Sie sind der Meinung, dass die Partei auf diese Weise dem SYRIZA die Handlungsinitiative hätte entreißen können.

Das ZK ist der Meinung, dass sich die Partei zu Recht nicht auf die Logik der Diskussion mit SYRIZA über eine Regierungsbildung eingelassen hat. Die Partei kann und darf keine Schritte unternehmen, die die Verwirrung über den Charakter des SYRIZA fördern, weil dieser politische Träger absolut nichts mit einer Politik der Konfrontation und des Bruchs mit den Monopolen und den imperialistischen Vereinigungen zu tun hat. Die Stärke des SYRIZA bei den Wahlen bestätigt, dass das bürgerliche politische System auch über alternative Optionen der Verwaltung des Kapitalismus verfügt.

V

Das ZK vertritt die Einschätzung, dass in den zwei Wahlkämpfen unabhängig von den allgemeinen Schwächen, die zum Vorschein kamen, und den Verlusten ein Potenzial für die Zukunft geschaffen wurde, indem bedeutende Anstrengungen unternommen wurden, um die zwei Entwicklungswege, den Charakter der kapitalistischen Krise, die Frage der Arbeiter- und Volksmacht und die Haltung der Partei zur Beteiligung an Regierungen der bürgerlichen Verwaltung aufzuzeigen. Die KKE ist unter außergewöhnlich schwierigen und komplexen Bedingungen gegen den Strom geschwommen. Sie war außerdem mit Schwächen, Defiziten und Versäumnissen konfrontiert, die sie im eigenen Interesse bekämpfen muss, weil die Erfordernisse des Kampfes in der kommenden Zeit sprunghaft anwachsen werden.

Das ZK hat ein Aktionsprogramm der Partei für den kommenden Zeitraum ausgearbeitet, das in den Parteiorganisationen noch zu konkretisieren sein wird. Es ruft die Mitglieder der Partei und der KNE auf, gemeinsam mit den Freunden, Sympathisanten, Mitkämpfern und Mitkämpferinnen zur Entstehung eines gesellschaftlichen Bündnisses und eines Gegenangriffs beizutragen. Der Schwerpunkt des Gegenangriffs muss am Arbeitsplatz, branchenspezifisch, auf lokaler, regionaler und landesweiter Ebene gelegt werden und sich auf die Grundaufgabe des Wiederaufbaus der Arbeiterbewegung konzentrieren. Wir müssen unsere Fähigkeit ausbauen, unsere Strategie in den jeweiligen besonderen Umständen umzusetzen und dem Volk verständlich zu machen, indem wir die Kämpfe sowohl im Hinblick auf sich verschärfende gesellschaftliche Widersprüche, als auch auf die jeweils konkreten Probleme anführen. Wesentliche Orientierung müssen unsere Thesen zu allen Themenbereichen, d.h. zu den sozialen Problemen, der Arbeitslosigkeit, den Fragen der Gesundheitsversorgung und der Medikamente, der Plünderung der armen Bevölkerungsschichten durch Steuern, den Privatisierungen, dem Bildungswesen und zu anderen ernsten und verschärften Problemen der Arbeiterklasse, der Selbstständigen, der armen Bauernschaft in jedem Sektor, jeder Region und am jeweiligen Arbeitsplatz sein. Die Partei wird mit entsprechenden Interventionen sowohl außerhalb als auch innerhalb des Parlaments voranschreiten, indem die Parlamentsfraktion ihre Aktivität ausbaut.

Wir arbeiten für den Erfolg aller Veranstaltungen des 38. Festivals der KNE und ihrer Zeitung „ODIGITIS“ mit der zentralen Losung „Reicht eure Hand jedem, der sich erhebt … Nehmt die Macht in eure Hände!“ Der Erfolg des Festivals wird davon abhängen, wie weit alle Basisorganisationen der Partei und der KNE sich auf die Verbreitung der Eintrittscoupons auf der Basis politischer Kriterien und die Diskussion darüber orientieren, auf die Ansammlung von Kräften hinarbeiten und in Dialog treten mit den jüngeren Altersgruppen, den jungen Arbeitern und Arbeiterinnen, Arbeitslosen, Schülern und Schülerinnen, Studierenden und anderen arbeitenden Menschen.

Das Zentralkomitee der KKE

Athen, 10.7.2012

Quelle: Kommunistische Partei Griechenlands (16.07.2012), http://kommunisten.ch/index.php?article_id=1092

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